Essstörungen

Grundlagen

Unter Essstörungen versteht man schädliche Verhaltensmuster in Bezug auf die Einnahme von Nahrung. Die häufigsten Formen davon sind die Magersucht (Anorexia nervosa), Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) und krankhafte Heißhungerattacken (Binge-Eating-Disorder). 60% der Essstörungen fallen unter keine Kategorie und können nicht näher bezeichnet werden. Darunter fallen etwa milde Ausprägungen der Magersucht, die zwar noch nicht die Kriterien dieser erfüllen, aber dennoch behandlungsbedürftig sind. Außerdem gibt es seltenere Essstörungen, wie etwa nächtliche Heißhungerattacken oder Magersucht mit Normalgewicht (atypische Anorexia nervosa).

Frauen sind etwa zehnmal häufiger von Magersucht betroffen als Männer. Etwa eine von 200 Frauen entwickelt in ihrem Leben Magersucht. Auch bei den meisten anderen Essstörungen, mit Ausnahme der Heißhungerattacken, sind Männer unterrepräsentiert. Der Häufigkeitsgipfel des Erkrankungsbeginns liegt bei Magersucht zwischen dem 13. und 16. Lebensjahr. 

Ursachen

Die Magersucht hat eine erbliche Komponente. Das hat man in Studien mit eineiigen Zwillingen herausgefunden: Bei bis zu 50% der Zwillingspaare erkranken beide Geschwister an Magersucht. Auch biologische Effekte im Gehirn könnten eine Rolle spielen: Eine Störung des Belohnungssystems könne beim Fasten süchtig-machende Befriedigungsgefühle auslösen. Viele Patientinnen und Patienten berichten auch von Traumatisierungen im Zusammenhang mit ihrer Essstörung. Ob gesellschaftliche Faktoren, wie etwa Schönheitsideale in den Medien eine Rolle spielen ist umstritten, denn auch in anderen Kulturen wird von Essstörungen berichtet. Das Risiko für Magersucht scheint jedoch in Europa und Nordamerika höher zu sein als in anderen Kulturen.

Symptome

Magersucht

Bei Anorexia nervosa versucht die betroffene Person durch Einschränkung der Nahrungszufuhr oder übermäßige Steigerung der Kalorienverbrennung durch körperliche Aktivität untergewichtig zu werden oder untergewichtig zu bleiben. Trotz des geringen Körpergewichts glauben Betroffene, sie seien zu dick oder haben Angst davor, es zu werden. Dieses Ungleichgewicht zwischen Selbstbild und Realität nennt man Körperbildstörung oder Körperschemastörung.

Die Nahrungseinnahme kann dabei entweder durch kleinere Portionen oder durch Vermeidung von Fetten und Kohlehydraten eingeschränkt werden. Zudem verändern sich die Essrituale und das Verhalten. So wird z.B. eine Portion sehr langsam gegessen oder die einzelnen Bissen sehr klein geschnitten.

Psychisch fühlen sich Betroffene zu Beginn oft positiv und hochgestimmt. Mit der Zeit setzt nicht selten Reizbarkeit oder depressive Verstimmung ein. Häufig handelt es sich um Personen mit starkem Kontrollbedürfnis. Konflikte werden gerne vermieden und der Umgang mit negativen Gefühlen fällt schwer.

Durch die Mangelernährung entstehen schließlich in weiterer Folge körperliche Beschwerden. Durch hormonelle Störungen kann so bei Frauen die Monatsblutung aussetzen. Die Knochendichte kann unwiderruflich abnehmen (Osteoporose) und bei Kindern kann es zu Minderwuchs oder Verzögerung des Pubertätsbeginns kommen. Der gesamte Körper leidet unter dem Nährstoffmangel. Das Herz schlägt nicht mehr so schnell, Gehirngewebe wird abgebaut und die Körpertemperatur sinkt. Es kann zu Haarverlust und Wundheilungsstörungen kommen.

Ess-Brech-Sucht

Bei der eigentlichen Bulimie besteht Normalgewicht, es kommen jedoch auch Formen mit Unter- oder Übergewicht vor. In regelmäßigen Heißhungerattacken wird eine große Menge Essen konsumiert, welches im Anschluss durch selbstverursachtes Erbrechen wieder ausgestoßen wird. Diese Essattacken können z.B. durch Hunger oder negative Gefühle ausgelöst werden und werden nicht selten von Betroffenen verheimlicht. Wie bei der Magersucht fokussieren sie sich auf ihr Gewicht, machen sich Sorgen über das Zunehmen und versuchen, Kalorien zu reduzieren. Neben Erbrechen können auch andere Mittel zum Einsatz kommen, wie etwa der Missbrauch von Medikamenten.

Durch das häufige Erbrechen kann es zu Zahnproblemen, Schwellungen der Speicheldrüsen und Entzündungen der Schleimhäute kommen. Auch trockene Lippen und eingerissene Mundwinkel sind nicht unüblich. Durch den häufigen Kontakt der Hand mit den Schneidezähnen können Schwielen am Handrücken entstehen.

unkontrollierte Essattacken

Bei der Binge-Eating-Störung leiden die Betroffenen unter regelmäßigen Essanfällen, in welchen sie unkontrolliert größere Nahrungsmengen konsumieren. Wichtig ist jedoch der Kontext: Während eine große Portion bei einem feierlichen Anlass noch als normal gilt, kann sie bei alltäglichen Mahlzeiten schon unter eine Essstörung fallen. Diese Hungerattacken können zwar durch ein negatives Gefühl ausgelöst werden, nicht selten geht es den Betroffenen danach jedoch immer noch schlecht. Sie berichten oft von Scham, Ekel oder Schuldgefühlen nach den Anfällen. Um die Diagnosekriterien zu erfüllen, müssen die Anfälle mindestens einmal pro Woche über drei Monate auftreten. Da diese Essattacken nicht immer durch Diäten ausgeglichen werden, kommt es häufig zu Übergewicht und den damit verbundenen Risiken für Gelenke und Herz-Kreislauf-System.

Weitere Essstörungen

Bei der atypischen Anorexia nervosa sind alle Kriterien der Magersucht erfüllt, mit dem einzigen Unterschied, dass das Körpergewicht im Normalbereich liegt. Das kann beispielsweise vorkommen, wenn jemand mit Übergewicht Magersüchtig wird, aber noch nicht bis zum Untergewicht abgenommen hat. Dennoch bestehen Risiken aufgrund der Mangelernährung.

Auch gering ausgeprägte Bulimien und Heißhunger-Störungen können als weitere Essstörungen klassifiziert werden. Kommt es zu selbst herbeigeführtem Erbrechen ohne Heißhungerattacken, wird statt einer Bulimie die Purging-Störung diagnostiziert. Das Night-Eating-Syndrom ist von Episoden nächtlichen Essens geprägt. Essstörungen bei Säuglingen werden Fütterstörungen genannt.

Diagnose

Zur Diagnosestellung ist neben der Messung des Körpergewichts eine Befragung über das Selbstbild und Essverhalten vordergründig. Es sollten jedoch auch körperliche Folgen der Essstörung gesucht werden, etwa durch Blutuntersuchungen.

Therapie

Die Behandlung erfolgt entweder stationär im Krankenhaus, teilstationär in einer Tagesklinik oder ambulant. Für die intensiveren Therapien entscheidet man sich nicht nur bei starkem Gewichtsverlust, sondern auch bei Verschlechterung der psychischen Verfassung. Die Heilung kann mehrere Monate bis Jahre dauern, weshalb oft eine Behandlungsplan erstellt wird. Der rasche Therapiebeginn ist wichtig für den Behandlungserfolg. Neben Psychotherapeuten können auch Haus- und Fachärztinnen und -ärzte sowie Sozialarbeiter, Ernährungsberater und Spezialtherapeuten involviert werden. Da Betroffene häufig noch im Jugendalter sind, macht es meist Sinn Angehörige hinzuzuziehen. Auch spezielle Beratungsstellen sind eine gute Möglichkeit ein Erstgespräch in Anspruch zu nehmen. Dabei wird zunächst nur aufgeklärt und Wissen vermittelt. Die eigentliche Psychotherapie beschränkt sich auf behördlich zugelassene Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Bei familiären Problemen kann auch die Übersiedelung in eine therapeutische Wohngruppe angedacht werden. Bei fehlender Einsicht der betroffenen Person ist bei körperlicher Gefährdung eine Zwangsbehandlung möglich.

Prognose

Die Todesrate durch Magersucht ist deutlich höher als jene durch Depression oder Schizophrenie. Von allen psychischen Erkrankungen hat die Magersucht sogar das höchste Todesrisiko: In einer Studie sind innerhalb von zwölf Monaten 7,7 % der Magersüchtigen verstorben, meist als Folge des extremen Gewichtsverlustes oder eines Selbstmordversuches. Das Risiko ist bei Bulimie und Binge-Eating-Disorder jedoch deutlich niedriger. 

Nicht selten sind Essstörungen mit anderen psychischen Erkrankungen assoziiert, insbesondere Depression, Zwangsstörungen, Angststörungen oder Persönlichkeitsstörungen.

Vorbeugen

Wichtig sind Früherkennung und rasches Handeln. Informationen und Wissensvermittlung werden von Online-Beratungsstellen angeboten. Folgende Links wurden vom Bundesministerium für Gesundheit, Redaktion Gesundheitsportal, zusammengestellt.

Beratungsstellen sowie ambulante und stationäre Einrichtungen:

  • Österreichische Gesellschaft für Essstörungen: Unter „Expertensuche“ und „Betreuungseinrichtungen“ erhalten Sie Infos zu Beratungsstellen und telefonischen Auskünften, ambulanten und stationären Einrichtungen.
  • Essstörungshotline des Wiener Programmes für Frauengesundheit: Nach essstörungsspezifischen Therapieeinrichtungen, stationärer Behandlung, Ambulanzen, Tageskliniken und Wohngemeinschaften kann hier gesucht werden. Die Essstörungshotline der Stadt Wien stellt außerdem kostenlose und bundesweite Beratung unter 0800-20 11 20 (Montag bis Donnerstag von 12–17 Uhr ausgenommen feiertags) zur Verfügung.
  • Familienberatung: bundesweite Suche nach Beratungsstellen bei Essstörungen.

Hier finden Jugendliche und Erwachsene Infos zum Thema „Essstörungen“:

  • Stadt Wien: Infos zum Thema sowie Adressen zu Hilfsangeboten.
  • BZgA (Dt. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung): Umfassende Infos zu Essstörungen für Betroffene, Eltern, Angehörige und Lehrerinnen/Lehrer.
Danilo Glisic

Danilo Glisic

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