Harnröhrenstriktur

Harnröhrenstriktur
Internationale Klassifikation (ICD) N35.-
Symptome abgeschwächter Harnstrahl, verlängerte Blasenentleerungsdauer, nächtlicher Harnverlust (Nykturie), Restharnbildung, Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung, vermehrter Harndrang (Pollakisurie), schmerzhafte Blasenentleerung (Dysurie), Makrohämaturie, Harnwegsinfektionen, erschwerte Harnblasenentleerung
Mögliche Ursachen Urogenitalerkrankung
Mögliche Risikofaktoren operative Eingriffe, frühere Harnwegsinfektionen, Ohne erkennbare Ursache (idiopathisch)
Mögliche Therapien operativer Eingriff, Aufdehnung (Dilatation), offene Rekonstruktion

Grundlagen

Unter dem Begriff Harnröhrenstriktur versteht man eine Verengung der Harnröhre. Der medizinische Fachterminus leitet sich von dem lateinischen Wort „strictura", (dt.: das Zusammenziehen) ab. 

Etwa 1 % der Bevölkerung leidet an einer Harnröhrenstriktur, wobei zirka die Hälfte aller Fälle entweder ärztlich verursacht sind oder aufgrund von unbekannten Ursachen auftreten (idiopathisch). Die Inzidenz von Harnröhrenverengungen nimmt dabei mit steigendem Alter deutlich zu und steigt bei Menschen über 65 Jahren auf über 100 Fälle pro 100 000 Einwohner an. Es sind hauptsächlich Männer betroffen.

Abhängig von der Schwere und Dauer der Symptome kann sich eine Harnröhrenverengung langfristig negativ auf den gesamten Harntrakt auswirken. Harnröhrenverengungen verursachen durch eine funktionelle Blockierung eine kontinuierliche Schädigung des gesamten Harntrakts. Sie können bei einem chronischen Verlauf auch zu einer Einschränkung der Nierenfunktion führen. 

Obwohl es ein häufiges urologisches Krankheitsbild ist, gibt es von der europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) keine Leitlinien zum Thema Harnröhrenstriktur. Je nach der anatomischen Lokalisation der Engstelle sind verschiedene Behandlungsmöglichkeiten verfügbar. Die Therapieoptionen der Harnröhrenstriktur sollten immer nach einer Aufklärung und Diagnostik durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt ausgewählt werden. Ebenfalls spielen die individuellen Präferenzen der Betroffenen bei der Therapieentscheidung eine große Rolle. 

Die Harnröhrenstriktur bei Frauen

Bei Frauen tritt die Harnröhrenstriktur, anders als bei Männern, nur selten auf. Bei Frauen stehen meist traumatische (z. B. nach der Geburt) oder medizinisch  verursachte Harnröhrenverengungen (z. B. nach Bestrahlung) im Vordergrund. Die Krankheitsentstehung ist hier jedoch noch nicht abschließend verstanden.

Der männliche Urogenitaltrakt Der männliche Urogenitaltrakt (iStock / peakSTOCK)

Einteilung der Harnröhrenstriktur

Die Harnröhre kann in einen vorderen (anterioren) und einen hinteren (posterioren) Abschnitt eingeteilt werden. Die prostatische und die membranöse Harnröhre zählen zum hinteren Harnröhrenabschnitt. Verengungen in diesem Bereich werden demnach auch als posteriore Harnröhrenstrikturen bezeichnet. Engstellen im Bereich der Peniswurzel und des Penis sind jedoch weitaus häufiger und gehören zu den anterioren Harnröhrenstrikturen. Diese werden je nach Lage in bulbäre, penile und glanduläre Harnröhrestrikturen sowie Strikturen des Meatus urethrae externus eingeteilt. 

Nach einer genauen Diagnostik können Harnröhrenverengungen in kurzstreckige (≤1 cm) und langstreckige (>1 cm) Strikturen eingeteilt werden. 

Am häufigsten ist die bulbäre Harnröhre von einer Harnröhrenstriktur betroffen (ca. 50 % aller Fälle). Sie hat die günstigste Prognose. Der Grund hierfür liegt in der guten Gewebsdurchblutung durch den kräftig ausgebildeten und umliegenden Harnröhrenschwellkörper (Corpus spongiosum).



Ursachen

Harnröhrenverengungen entstehen in den meisten Fällen von alleine (idiopathisch) oder werden ärztlich (iatrogen) verursacht. Ärztliche Ursachen sind häufig Eingriffe oder auch Manipulationen an der Harnröhre. Beispiele hierfür sind Dauerkatheteranlage, Blasenspiegelun oder Operationen wie die radikale Prostatektomie oder transurethrale Resektion. Eine Harnröhrenverengung kann hierbei auch als Spätkomplikation auftreten. Traumatische Ursachen sind ebenfalls eine häufige Ursache für Harnröhrenverengungen (z. B. nach Beckentrauma). Weitere Ursachen einer Harnröhrenstriktur sind infektiöse Harnwegsentzündungen. Da heutzutage in der Regel Antibiotika zur Therapie von Harnwegsinfektionen verschrieben werden, gewinnen posttraumatische und ärztlich verursachte Harnröhrenverengungen – gegenüber Harnwegsstrikturen nach Entzündungen – an Bedeutung.

Das Urogenitalsystem Das Urogenitalsystem (iStock / magicmine)

Histologische Veränderungen bei der Harnröhrenstriktur

Die oben beschriebenen Ursachen führen zu einer Vernarbung und Bindegewebsvermehrung (Fibrose) des, die Harnröhre auskleidenden Gewebes,  woraufhin es zu einer Einengung des Lumens kommt.

Symptome

Beschwerden, die bei einer Harnröhrenverengung häufig auftreten sind:

  • Ein abgeschwächter Harnstrahl

  • Eine verlängerte Blasenentleerungsdauer

  • Nächtlicher Harnverlust (Nykturie)

  • Restharnbildung

  • Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung

  • Vermehrter Harndrang (Pollakisurie)

  • Eine schmerzhafte Blasenentleerung (Dysurie)

  • Harnverhalt bis zu Nierenstauung

Bei Erstmanifestation haben Betroffene meist häufig einen Harnverhalt, eine chronische Retentionsblase, sichtbare Blutbeimengungen im Urin (Makrohämaturie) oder rezidivierende Infektionen der Harnwege. Tritt die Harnröhrenstriktur im unteren Teil der Harnröhre auf, kann diese auch einen rotierten oder divergierenden Harnstrahl (Palmurie) verursachen. Der divergierende Harnstrahl kann dabei die Blasenentleerung stören und die Lebensqualität einschränken. Bei sehr ausgeprägten Fällen ist eine Harnrückstau bis in die Nieren mit einer folgenden Niereninsuffizienz möglich. 

Diagnose

Eine genaue diagnostische Abklärung ist notwendig, um den idealen Therapiepfad für die Behandlung von Harnröhrenstrikturen auszuwählen. Hierfür stehen mehrere Untersuchungen zur Verfügung.

In der Regel erfolgt eine Harnflussmessung (Uroflow), bei der durch ein spezielles Gerät eine mögliche Abschwächung des Harnstrahles diagnostiziert werden kann. Mittels einer Ultraschalluntersuchung kann eine sonographische Restharnmessung erfolgen. Klassische Diagnoseverfahren sind die retrograde Urethrographie sowie die Miktionzysturethrographie, bei denen nach einer vorher erfolgten Kontrastmittelapplikation die Harnröhre mittels eines Röntgenbildes dargestellt wird. 

Eine weitere Methode ist die Blasenspiegelung, bei der die Harnröhre und die Harnblase mit einem Endoskop untersucht werden. Meist erfolgt zusätzlich eine Harnuntersuchung, um mögliche Blutbeimengungen zu erkennen. 

Therapie

Sind diese konservative Methoden nicht möglich oder nicht ausreichend, wird eine operative Therapie gewählt. Im Rahmen einer Operation kann beispielsweise das verengte Segment entfernt und die Harnröhrenabschnitte davor und danach vernäht werden (End-zu-End-Anastomose) oder die entstandene Lücke mit hilfe von anderem Schleimhautgewebe, beispielsweise aus dem Mund, überbrückt werden.

Insbesondere die Behandlung von Betroffenen mit einem mehrfachen Strikturrezidiv ist oft herausfordernd. Die richtige Therapieoption sollte jedenfalls individuell sowie auch nach dem Wunsch von Betroffenen ausgewählt werden.

Blasenkatheter (iStock / Iuliia Alekseeva)

Die Therapiemöglichkeiten in der Behandlung einer Urethrastriktur sind – ungeachtet der anatomischen Lokalisation der Harnröhrenenge – vielfältig. Zur Auswahl stehen dabei etwa die Bougierung, die Dilatation, die innere Urethrotomie (Harnröhrenschlitzung) oder eine offene Rekonstruktion. 

Bei einer Bougierung wird der verengte Bereich mithilfe eines chirurgischen Instruments (Bougierstift) mechanisch aufgedehnt. Ähnlich funktioniert die Dilatation, bei der meist ein Ballonkatheter genutzt wird, um die Harnröhre aufzudehnen. Eine weitere Möglichkeit ist das Aufschneiden der Engstelle im Rahmen einer Harnröhrenschlitzung (Urethrotomie). Ein großer Nachteil dieser Methoden ist das hohe Rezidivrisiko von bis zu 80 %. Aus diesem Grund sind die Ballonkatheter seit einigen Jahren medikamentenbeschichtet erhältlich. Hierbei wird das Chemotherapeutikum Paclitaxel eingesetzt, um eine erneute Vernarbung der behandelten Harnröhre zu verhindern.

Prognose

Die Harnröhrenstriktur ist eine häufige Erkrankung, die meist Männer betrifft. Besonders durch die hohe Rezidivrate nach konservativen Therapieversuchen und die oft langwierigen klinischen Verläufe beeinträchtigen die Lebensqualität von Betroffenen oft stark. Operative Therapiemethoden erbringen oft gute Ergebnisse, haben jedoch Risiken und bedürfen spezialisierter Urologinnen und Urologen. Neue medikamentenbeschichtete Katheterdilatationen zeigten in Studien gute Resultate. Die Verbreitung und wissenschaftliche Evidenz ist jedoch noch eingeschränkt.  

Redaktionelle Grundsätze

Alle für den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprüften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter Universitäten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Dr. med. univ. Moritz Wieser

Dr. med. univ. Moritz Wieser
Autor

Moritz Wieser hat das Studium der Humanmedizin in Wien absolviert und studiert derzeit Zahnmedizin. Er verfasst vorrangig Artikel zu den häufigsten Krankheiten. Besonders interessiert er sich für die Themenbereiche Augenheilkunde, Innere Medizin und Zahnmedizin.

Dr. med. univ. Bernhard Peuker, MSc

Dr. med. univ. Bernhard Peuker, MSc
Lektor

Bernhard Peuker ist Lektor sowie Medical Advisor bei Medikamio und arbeitet als Arzt in Wien. Bei der Arbeit lässt er sein klinisches Wissen, praktischen Erfahrungen und wissenschaftliche Leidenschaft einfließen.

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