Auch Bakterien kommunizieren untereinander

Nun ist es bekannt – auch Bakterien können sich untereinander verständigen, bei anderen Bakterien mithören und sich auf ein einheitliches Vorgehen einigen. Für die Arbeit zu dieser Thematik erhalten die beiden Mikrobiologen Bonnie L. Bassler und Michael R. Silverman nun den Paul-Ehrlich und Ludwig Darmstaedter-Preis. Diese Forschungen könnten möglicherweise helfen, Antibiotika zu vermeiden, wenn man stattdessen einfach die Kommunikationssignale stören könnte.
Darmbakterien, Gesundheit der Darmflora, 3D-Abbildungshutterstock.com / nobeastsofierce

Quorum sensing

Bakterien nutzen die Kommunikation zwischen Zellen, um kollektives Verhalten als Reaktion auf Änderungen der Zelldichte und der Artenzusammensetzung der Gemeinschaft zu koordinieren. Diesen Prozess nennt man auch Quorum Sensing, oder kurz QS. Dieser Kommunikationsprozess ist von der Zelldichte abhängig und nur dann wirksam, wenn die Konzentration bestimmter, von Bakterien abgegebenen, extrazellulären Signalmoleküle (d.h. Autoinduktoren) einen Schwellenwert im Medium übersteigt. Solche Signalmoleküle, kurz AIs, können einen genetischen Regulationsprozess auslösen, wodurch eine bestimmte genetische Information in der Empfängerbakterie zum Ausdruck kommt (d.h. Genexpression). Dieser Prozess konnte bereits bei über 70 Bakterien nachgewiesen werden.

Wie bei der menschlichen Sprache, variieren diese Signale auch zwischen den Bakterienarten. So können einige Bakterien viele verschiedene Signale interpretieren, während andere jedoch nur auf wenige reagieren.  Mithilfe dieses Kommunikationsprozesses können Bakterienkolonien verschiedene Funktionen ausführen: Sporulation (d.h. Prozess der Sporenbildung), Biolumineszenz (d.h. Fähigkeit Licht zu erzeugen), Virulenz (d.h. Ansteckungsfähigkeit), Konjugation (d.h. Genomübertragung durch Zellkontakt), Kompetenz (d.h. Fähigkeit, DNA aufzunehmen und sich dadurch zu transformieren) und Biofilmbildung (d.h. Lebensgemeinschaft mit schleimartiger Matrix).

Wie funktioniert QS?

Während der Fortpflanzungsphase der Bakterien entwickeln diese die AIs. Während gramnegative Bakterien dabei sogenannte Acyl-Homoserin-Lactone (Kurz: HSL) produzieren, sind in grampositiven Bakterien extrazelluläre Pheromone für die Zellkommunikation verantwortlich. Die HSL können passiv durch die dünne Zellwand gelangen – die Pheromone müssen jedoch mithilfe zusätzlicher Energie (d.h. ATP) aktiv durch die Zellwand transportiert werden. In beiden Fällen bewegen sich die AIs aus den einzelnen Zellen heraus. Da sich Bakterien vermehren, steigt auch die Konzentration der Autoinduktoren an und trifft auf eine „kritische Masse“. Dieser Schwellenwert bewirkt, dass es energetisch ungünstig wäre, wenn weiterhin AIs aus Zellen entweichen (d.h. durch Diffusionsgleichgewicht oder Transport). Dadurch erhöht sich die Konzentration innerhalb der Zellen. Sobald diese intrazelluläre Konzentration zunimmt, binden die AIs an die Rezeptoren der Bakterien und lösen dadurch Signale aus, wodurch es zu einer Genexpression kommt. Bei vielen Bakterien beinhaltet die Änderung der Genexpression ein Herunterfahren weiterer AIs. 

QS bei der Koordinierung einer Krankheitsbildung

Das bekannte gramnegative krankheitsbildende Bakterium Vibrio cholerae (d.h. Erreger der Cholera) verwendet QS für die Ansteckungsfähigkeit (d.h. Virulenz) während einer Infektion mit Cholera. Dabei baut das Bakterium Biofilme auf, um Nährstoffe zwischen den Kolonien effektiver zu transportieren und sie gleichzeitig zu schützen. Durch diese Kommunikationsprozesse steigt der Erfolg für die Fortpflanzung der Bakterien und die mögliche Ausscheidung von Choleratoxin, welches beim Menschen eine schwere Durchfallerkrankung auslösen kann. 

Mit dem neuen Wissen forschen Wissenschaftler nun am QS-Prozess von V. cholerae als therapeutische Möglichkeit. Eine 2015 publizierte Studie zeigte zum Beispiel, dass eine Überladung der Cholera-Bakterien mit deren Autoinduktoren den Prozess der Biofilm-Bildung ganz aufhalten kann, wodurch der Infektionsprozess möglicherweise verzögert werden könnte. Dadurch könnte das menschliche Immunsystem während der ansonsten raschen Infektionsphase aufholen. Medizinische Relevanz besteht auch als möglicher Lösungsweg für das Problem des starken Anstiegs der Antibiotikaresistenz bei unterschiedlichen Bakterien. 

Medizinische Relevanz

Obwohl die Forschungen von Silverman und Bassler ein neues Verständnis für die Prozesse mikrobieller Kolonien erschaffen hat, war dies allerdings erst nach jahrelanger Überzeugungsarbeit und nach vielen Publikationen gegeben. Denn lange war man in Fachkreisen der Meinung, dass QS nur eine besondere Ausprägung zwischen den Bakterien Vibrio fischeri und dem Zwergtintenfisch wäre und nicht mit anderen Bakterien assoziiert sei. Heute ist QS mehrmalig nachgewiesen worden und bietet auch ein medizinisches Potenzial. Um einzelne antibiotikaresistente Keime zu bekämpfen, könnte das jeweilige AI-System dieser gestört werden. Um mehrere verschiedene Bakterien parallel zu bekämpfen, wäre die Vereitelung eines allgemein wirksamen AI-Systems effizienter. Zurzeit forschen die Wissenschaftler intensiv an diesen Konzepten – jedoch sind die Substanzen noch nicht effektiv genug für eine klinische Wirkung und besitzen nicht alle Eigenschaften, die für ein Medikament notwendig sind. Auch eine umgekehrte Wirkung sei denkbar, wenn man QS einsetzen könnte, um die Mechanismen nützlicher Bakterien im Darm oder auf der Haut zu unterstützen. 

Im Jahre 2019 zeigte Bassler, dass auch Phagen (d.h. Viren, die Bakterien angreifen) QS verwenden, um den Zeitpunkt mit der höchsten Dichte an Bakterien zu erfahren. Falls sie die Bakterien infizieren, wenn deren Anzahl am höchsten ist, ist auch die Warscheinlichkeit für höchsten Nachwuchs an Phagen am größten. 

Durch die Corona-Pandemie bedingt wird die Preisverleihung auf den 14. März 2022 verschoben.

Fazit:

Die Entdeckung und von Quorum-Sensing-Systemen in Bakterien könnten einer der ersten Schritte bei der Entwicklung effizienterer mikrobiologischer und medizinischer Ansätze in der Antibiotika-Forschung gewesen sein. Die neuesten Forschungen zur mikrobiellen Kommunikation seien dadurch erst der Beginn.

Danilo Glisic

Danilo Glisic

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Zuletzt aktualisiert am 02.07.2021

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