Mögliche Prävention von Epilepsie bei Säuglingen mit tuberöser Sklerose

Zwei Paar Hände Halten einen aus Papier ausgeschnittenen Kopf mit gezeichnetem Gehirn mit einer symbolischen Enzephalographie als Symbol für Epilepsie.

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Global betrachtet verzeichnen etwa 70 bis 90% der Kinder mit tuberöser Sklerose eine Epilepsie, welche oft arzneimittelresistent ist. Daher wurde in diesem Zusammenhang eine präventive antiepileptische Behandlung zur Änderung des natürlichen Verlaufs der Epilepsie im Rahmen der sogenannten EPISTOP Studie untersucht, welche diese vorbeugende Methode mit einer konventionellen verglich.

Zwei Paar Hände Halten einen aus Papier ausgeschnittenen Kopf mit gezeichnetem Gehirn mit einer symbolischen Enzephalographie als Symbol für Epilepsie.

shutterstock.com / SewCream

Tuberöse Sklerose-Komplex

Bei dem sogenannten tuberösen Sklerose-Komplex (kurz: TSK), handelt es sich um eine Multisystemerkrankung, welche durch die Mutation in den Genen TSC1 bzw. TSC2 verursacht wird. Infolgedessen können sich in mehreren menschlichen Organen (z.B.: Gehirn, Herz, Haut, Niere, usw.) Tumore bilden. Bei Routine-Ultraschalluntersuchungen des Fötus wird die Erkrankung häufiger pränatal diagnostiziert. 

Dabei ist TSK eine der häufigsten medizinischen Ursachen für schwere Epilepsie, welche resistent gegen derzeitige Medikamente ist. Des Weiteren können auch neurologische Begleiterkrankungen wie geistige Beeinträchtigung bzw. Autismus bei Kindern mit einem TSK auftreten. Aktuelle Leitlinien empfehlen ein antiepileptisches Verfahren nach zwei nicht-provozierten klinischen Epilepsieanfällen bzw. nach einem Anfall bei Risikopatienten für periodische Spasmen in Assoziation mit Epilepsie. Trotz solcher Behandlungen, welche bei Kindern mit TSK das Risiko für Komplikationen minimiert, können bis zu 60 % von diesen eine geistige Beeinträchtigung entwickeln.

Die meisten Menschen mit TSK verzeichnen vor einem klinischen Anfall einen asymptomatischen Krampfanfall bzw. elektroklinische Anfälle. Dabei entstehen zusätzlich zu klinischen Anfallssymptomen EEG-Anfallsmuster (d.h. im Elektroenzephalogramm erkennbar). Aufgrund von aktuellen Untersuchungen, welche bestätigten, dass antiepileptische Behandlungen nach unmittelbarer EEG-Entdeckung von solchen Anfallssymptomen bei Kindern im Alter von zwei Jahren im Vergleich zur Behandlung erst nach klinischen Anfällen bessere Ergebnisse lieferten, wird in Leitlinien nun eine Empfehlung für eine Video-EEG Überwachung bei Säuglingen empfohlen.

Zurzeit wird eine Epilepsie lediglich nach einem klinischen Anfall diagnostiziert. Bis vor kurzer Zeit informierten Ärzte die Eltern von Säuglingen mit TSK über das Risiko von Anfällen und baten diese, sich an einen Neurologen zu wenden, sobald ein Anfall auftritt. Dabei kann es aufgrund der möglichen asymptomatischen Anfälle jedoch passieren, dass ein solcher übersehen werden kann, was wiederum zu signifikanten Verzögerungen der Diagnose und Behandlung kommen kann. 

Um die Sicherheit und Wirksamkeit einer präventiven Behandlung gegen Epilepsie zu erforschen, verglich die im November 2020, in der medizinischen Fachzeitschrift Annals of Neurology publizierte, kontrollierte multizentrische Studie dieses Verfahren mit einer konventionellen Verarztung.

Studienmethode

Dabei wurden Kinder im Alter von höchstens vier Monaten mit einer klaren TSK- Diagnose (mit Konsenskriterien) untersucht. Diese hatten zum Studienbeginn keine vorherrschenden asymptomatischen Krampfanfälle bzw. elektroklinischen Anfälle, welche auf Video-EEG erkennbar waren. Ausschlusskriterien waren wie folgt:

  • Keine eindeutige TSC-Diagnose
  • vergangener epileptischer Anfall
  • vergangene Behandlung mit Antiepileptika 
  • Vorhandene Erkrankung, welche die Studienteilnahme behindern könnte

Insgesamt 94 Neugeborene mit TSC ohne vorherige Anfälle wurden monatlich mit einem Video-EEG beobachtet und erhielten dabei Vigabatrin – entweder als konventionelle Behandlung oder nach erstem elektroklinischem Anfall bzw. präventiv, falls eine epileptische EEG-Aktivität vor einem Anfall erkannt wurde. Vigabatrin ist ein krampfunterdrückendes Medikament, welches in der Behandlung von Epilepsien zur Verwendung kommt. Die Neugeborenen wurden im Rahmen einer randomisierten, kontrollierten Studie an insgesamt 6 Standorten in zwei Gruppen mit den jeweiligen Behandlungsmethoden eingeteilt, während im Rahmen einer offenen Studie an 4 Standorten die Behandlung fest eingeteilt wurde. Die Beobachtungsdauer wurde bis zum zweiten Lebensjahr durchgeführt, wobei das primäre Endziel an allen Standorten die Zeitspanne bis zum ersten klinischen Anfall war.

Resultate

Insgesamt 54 Neugeborene verzeichneten vor den Anfällen erkennbare EEG-Aktivität, wovon 27 in der randomisierten, kontrollierten und 27 in der offenen Studie eingeschlossen waren. Einen merklichen Unterschied verzeichnete die Zeitspanne bis zum ersten klinischen Anfall bei den beiden Behandlungen. Währen die präventive Behandlung im Mittel 364 Tage bis zum ersten klinischen Fall benötigte, waren es 124 Tage bei der konventionellen Behandlung bei den randomisierten kontrollierten Probanden. Bei der offenen Studie dauerte es 426 Tage mit präventiver Behandlung und 106 Tage bei konventioneller Methode. Nach 2 Jahren Beobachtung zeigte die Analyse, dass eine präventive Behandlung das Risiko für klinische Anfälle um 79 % verringert. Für arzneimittelresistente Epilepsie sind es 77 %. Dabei wurden keine unerwünschten Ereignisse in Assoziation mit der präventiven Maßnahme ermittelt. 

Fazit

Laut Studie konnte eine präventive Behandlung mit dem Arzneistoff Vigabatrin das Risiko und den Schweregrad der Epilepsie-Anfälle bei Neugeborenen mit diagnostizierter TSK signifikant verringern. Auch die WHO und IBE (d.h. Internationales Büro für Epilepsie) weißen auf den ungedeckten Forschungsbedarf zur Prävention von Epilepsie hin. Eine regelmäßige Video-EEG-Beobachtung ab der Diagnose von TSK bei Neugeborenen und die unmittelbare antiepileptische Behandlung mit dem krampfunterdrückenden Arzneistoff beim Auftreten von elektroklinischen Anfällen könnte das Risiko für viele Kinder signifikant verhindern und könnte in medizinischen Fachkreisen häufiger diskutiert werden. 

Redaktionelle Grundsätze

Alle für den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprüften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter Universitäten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Danilo Glisic

Danilo Glisic
Autor

Als Biologie- und Mathematikstudent verfasst er leidenschaftlich Magazinartikel zu aktuellen medizinischen Themen. Aufgrund seiner Affinität zu Zahlen, Daten und Fakten, liegt sein Fokus dabei auf der Beschreibung von relevanten klinischen Studienergebnissen.

Letztes Update

06.12.2021

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