Während die bekannten Wirkstoffe Acetylsalicylsäure und Ibuprofen, welche ebenfalls als Schmerz- und Fiebermittel eingesetzt werden, zu den sogenannten sauren Nicht-Opioid-Analgetika gehören, zählt Paracetamol jedoch zur nichtsauren Nicht-Opioid-Klasse. Diese bestimmte saure Nicht-Opioid-Analgetika-Art reichert sich besonders im akut entzündeten Gewebe, in der Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts und in der Nierenrinde an und verfügt außerdem entzündungshemmende Eigenschaften. Im Gegensatz dazu ist Paracetamol (in Nordamerika und im Iran als Acetaminophen bezeichnet) nicht primär in den genannten menschlichen Körperregionen angereichert, sondern mehrfach im ZNS (d.h. Zentralen Nervensystem – Rückenmark und Gehirn). Dort wird ein bestimmtes Enzym, welches für die Herstellung von Prostaglandinen (d.h. Für Fieber, Entzündungsprozesse und Schmerzvermittlung relevante Gewebshormone) zuständig ist, durch den Wirkstoff gehemmt. Nebenwirkungen des nichtsauren Nicht-Opioid-Analgetika treten selten auf und können meistens auf schon bestehende Grunderkrankungen zurückgeführt werden. Hochdosierte, längerfristige Einnahme, sowie einmalige Paracetamol-Überdosierung könnte möglicherweise Leberschäden verursachen, da die Leber nicht mehr als Entgiftungsorgan fungieren kann. Zu einer solchen möglichen Hepatotoxizität (d.h. Lebervergiftung) kann eine Einnahme von mehr als 4.000 mg pro Tag führen.
Während in der Schweiz sind 500 mg-Tabletten ohne Rezept erhältlich sind, wurden 1.000 mg-Tabletten ab Zulassung im Oktober 2003 rezeptpflichtig.
Obwohl die höhere Dosierung nur mit Rezept zur Verfügung steht, sind laut Apothekerverband pharmaSuisse schon im Jahre 2005 1.000 mg-Tabletten 10 Mal mehr verkauft worden als die geringere Dosis.
Laut Tox Info Suisse, der nationalen Informationszentrale für Vergiftungsfälle in der Schweiz, wurde ein Zuwachs der Anrufe bei der Zentrale verzeichnet. Schon vor 2003 sind die Zahlen der beabsichtigen Überdosierungen gestiegen, während die irrtümlichen Vergiftungen ungefähr gleichgeblieben sind. Mittlerweile sind die Anrufe bei unbeabsichtigter Intoxikation mehr als 3-mal so hoch wie vor der Verfügbarkeit der hochdosierten 1.000 mg-Dosis. Auch die Anzahl der Vergiftungen mit einer Einnahme von mehr als 10.000 mg Paracetamol ist gestiegen.
Frühere Aufschlüsse deuten zusätzlich auf eine mögliche Assoziation zwischen der Einschränkung der Verfügbarkeit großer Mengen Paracetamol und einer Abnahme der Vergiftungen im Zusammenhang mit dem nichtsauren Nicht-Opioid-Analgetika.
Die Schweizer Querschnittsstudie (d.h. eine Umfrage wird einmalig durchgeführt) untersuchte mithilfe von 15 790 Paracetamol-Giftaufzeichnungen im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2018 den Zusammenhang zwischen Zugabe von 1.000 mg Paracetamol-Tabletten auf den Markt mit der Anzahl der Vergiftungen. Alle Anrufe zu Paracetamol-Vergiftungen, welche vom nationalen Schweizerischen Giftzentrum identifiziert worden sind, sowie alle Verkäufe von oralen Paracetamol-Tabletten (rezeptpflichtig und ohne Rezept) im Zeitraum zwischen Januar 2000 und Dezember 2018 wurden für diese Studie inkludiert.
Das primäre Endergebnis war die Anzahl der vierteljährlichen Paracetamol-bezogenen Giftanrufe an das nationale Giftzentrum. Zusätzliche Endergebnisse inkludierten Paracetamol-Verkäufe pro Quartal und Änderungen der Vergiftungsumstände, welche nach Zeiträumen vor und nach der Intervention (d.h. Einführung von 1.000 mg-Tabletten) sowie nach Dosierung (d.h. 500 mg- und 1.000 mg-Tabletten) gereiht waren.
Von den im genannten Zeitraum von 18 Jahren festgestellten 15 790 Vergiftungsfällen waren 67,3 % Frauen (n=10 628) und das Durchschnittsalter der Patienten betrug 25,2 Jahre. Der Untersuchungszeitraum wurde unterbrochen und analysiert. Dabei ergaben die Ergebnisse einen signifikanten Anstieg nach dem Interventionspunkt, vor allem die Anzahl der unbeabsichtigten Vergiftungen. Vor der Intervention hatten 15,3 % (d.h. 120 von 961) Vergiftungen eine Dosis von mehr als 10.000 mg – in der Zeit nach der Intervention 30,6% (d.h. 1140 von 5696). Die Verkäufe von 1.000 mg Paracetamol-Tabletten verzeichneten einen schnellen Zuwachs, während die Verkäufe von 500 mg-Tabletten etwas zurückgingen. Seit dem Jahr 2012 wurden im Quartal im Mittel 20,7 Mio. 1.000 mg-Tabletten und 2,7 Mio. 500 mg-Tabletten verteilt.
Eine statistisch signifikante Änderung wurde bei zufälligen, jedoch nicht bei beabsichtigten Vergiftungen verzeichnet. Besonders der Anteil der Patienten mit unbeabsichtigten Vergiftungen mit einer Einnahme von 1.000 mg-Tabletten zeigte einen Anstieg im Gegensatz zu 500 mg-Dosis bei Patienten mit eingenommenen Dosierungen über dem therapeutischen Bereich von 4.000 mg. Zusätzlich zeigten die Daten der Anrufe, dass bei Überdosierungen mit mehr als 10.000 mg, die meisten eine Einnahme der 1.000 mg-Tabletten berichteten.
Bei 1.000 mg-Tabletten kann die empfohlene Tageshöchstdosis von 4.000 mg bereits mit wenigen Tabletten überschritten werden, wobei diese Gefahr bei 500 mg- Tabletten geringer sei. Folglich ergaben die Ergebnisse der Studie einen signifikanten Anstieg der Verteilung von Paracetamol und den mit Paracetamol-assoziierten Vergiftungsanrufen in der Schweiz nach der Zulassung von 1.000 mg-Tabletten im Jahr 2003. Um einen weiteren möglichen Anstieg der hochdosierten Paracetamol-Vergiftungen zu minimieren, legen die Forscher dieser Studie nahe, dass die Verfügbarkeit von 1000-mg Paracetamol neu bewertet werden sollte. Vor allem bei rezeptpflichtiger doppelter Dosierung ist vor einer Anwendung ärztliche Auskunft empfohlen, um Paracetamol weiterhin mit einem geringeren Risiko anwenden zu können.
Wirkstoffe:
Danilo Glisic
Autor
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Zuletzt aktualisiert am 10.05.2021
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