Die Rückkehr der Masern

Masernvirus 3D-Illustration

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Um Populationen großflächig vor der Verbreitung von Infektionen zu schützen, wird eine Herdenimmunität gegen den Erreger benötigt. Ist eine solche nicht langfristig gegeben, können bereits gut eingedämmte Infektionskrankheiten wieder ausbrechen. In Teilen Österreichs breiten sich aktuell die Masern aus, welche aufgrund ihrer schweren gesundheitlichen Folgen nicht zu unterschätzen sind.

Kleiner Junge mit Masern

Aleksandr Zyablitskiy / iStock

Impfen

Impfungen sind heutzutage eine der wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten. Der Schutz entwickelt sich durch die Immunisierung des Körpers gegen den Krankheitserreger. In der Epidemiologie trägt die Durchimpfungsrate einer Population wesentlich dazu bei, eine sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. Durch diesen Gemeinschaftsschutz werden auch Personen vor einer Ansteckung geschützt, die sich nicht impfen lassen können. Das Ziel der Herdenimmunität ist die langfristige Elimination der Erreger. In der Vergangenheit konnten mit dem Erreichen des Herdenschutzes durch konsequente und weltweite Impfprogramme bereits etliche Krankheiten ausgerottet werden. Beispielsweise hat es sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Ziel gesetzt, die globale Ausbreitung von Masern und Röteln aufzuhalten. Um dies zu erreichen, muss ein Gemeinschaftsschutz in Form einer Immunitätsrate von mindestens 95% gegeben sein.

Vorgaben der D-A-CH-Staaten

In Deutschland gilt seit 1. März 2020 das neue Masernschutzgesetz, welches zu einer Masernschutzimpfung verpflichtet. Für alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr muss bei der Anmeldung in einer Kindertagesstätte oder spätestens bei der Einschulung ein Nachweis erbracht werden. Ab 1970 geborene Personen, die in medizinischen oder in Gemeinschaftseinrichtungen oder als Lehrer, Erzieher oder Pflegepersonal tätig sind, müssen ebenfalls einen zweifachen Masernimpfschutz vorweisen. Dasselbe gilt für Asylbewerber und Flüchtlinge.

In der Schweiz und in Österreich gibt es bislang keine Verpflichtung zum Nachweis einer Immunisierung gegen Masern. Eine Masern-Mumps-Röteln-Impfung wird ab dem vollendeten 9. Lebensmonat empfohlen und kann jederzeit im Erwachsenenalter an öffentlichen Impfstellen kostenfrei nachgeholt werden. Im österreichischen Nationalen Aktionsplan Masern/Röteln-Elimination wurden Maßnahmen zur Ausrottung der Masern erörtert.

Aktuelle Masernwelle in Österreich

In den vergangenen Wochen kam es in der Steiermark zu neuen bestätigten Masernfällen. Die Infektionen lassen sich bei ungeimpften Personen beobachten, unter welchen auch mehrere Kinder erkrankt sind. Mittlerweile sind auch einige Fälle in Kärnten und einer in Wien gemeldet worden. Das Gesundheitsministerium hat zur kostenlosen Immunisierung aufgerufen und in einigen Städten werden Sonderimpfaktionen ohne Anmeldung durchgeführt.
Nachdem in den letzten zwei Jahren nur ein einziger Fall gemeldet wurde und der letzte Ausbruch mit 40 Fällen in 2019 stattfand, kann man dieses Jahr von einer erneuten Welle an Infektionen sprechen. Die Auflockerung der Maskenpflicht und die sinkende Durchimpfungsrate der letzten Jahre dürften zum Infektionsgeschehen beitragen.

Warum ist die Immunisierung gegen Masern so wichtig?

Kleines Kind wird geimpft KatarzynaBialasiewicz / iStock

Masern werden durch einen hochansteckenden Virus über eine Tröpfcheninfektion verursacht und können besonders für Säuglinge, Kinder und Jugendliche aber auch Erwachsene schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Nach der Inkubationszeit kommt es gewöhnlich zu Symptomen wie Schnupfen, Husten, Fieber, Bindehautentzündungen und dem typischen Hautausschlag in Form von roten Flecken im Gesicht. Bei unkomplizierten Fällen bildet sich der Ausschlag innerhalb weniger Tage zurück und das Fieber sinkt.

Die Schwächung des Immunsystems durch eine Maserninfektion ist dermaßen stark, dass sie noch Monate bis Jahre nach der Ansteckung die Abwehr anderer Krankheitserreger erschwert. Dies erhöht das Risiko, an Komplikationen wie Bronchitis, Mittelohr- und Kehlkopfentzündungen, Bronchitis oder Magen-Darm-Infekte zu erkranken. Die Wahrscheinlichkeit, unter einer dieser Folgeerkrankungen zu leiden, liegt bei 20%.

Bei 1-2 Personen pro 1.000 Erkrankten kann es zu einer sogenannten Masernenzephalitis (Gehirnentzündung) kommen. Bei einem Drittel der von dieser Folgeerkrankungen Betroffenen kommt es zu bleibenden Schäden wie geistige Behinderungen oder Lähmungen und ca. 10-20% der Erkrankten versterben.

In seltenen Fällen, ca. bei 5 von 10.000 Fällen, kann es zu einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE) kommen. Diese immer tödlich verlaufende Komplikation kann auch verzögert 6 bis 8 Jahre nach einer durchgemachten Maserninfektion auftreten. Bei dieser sogenannten „Slow-Virus“-Maserninfektion baut sich die weiße Hirnsubstanz fortlaufend ab. Vor allem Kinder, die sich bei der Geburt oder im ersten Lebensjahr mit Masern anstecken, sind besonders anfällig für eine SSPE.

Da es keine spezifische Behandlung gegen Masern gibt, wird die Infektion zumeist symptomatisch, etwa mit fieber- oder schmerzstillenden Medikamenten, behandelt.
Trotz hohen Impfraten in der D-A-CH-Region kommt es nach wie vor häufig zu Infektionen bei ungeschützten Personen. Die Impfung mit dem weit erprobten und gut verträglichen Kombinationsimpfstoff gegen Masern-Mumps-Röteln stellt die einzig wirksame Maßnahme dar, um sich vor einer Infektion zu schützen.

Impfsituation und Impfverhalten

Die vergangenen Jahrzehnte konnten zeigen, dass sich die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie die Masern durch flächendeckende Immunisierungen aufhalten lässt. Dennoch ist die Durchimpfungsrate in Österreich nicht hoch genug, um einen ausreichenden Gemeinschaftsschutz bieten zu können, sondern scheint sogar stetig zurückzugehen, wie eine Auswertung des Gesundheitsministeriums zeigt.

Die Zahl der Impfungen sei zwar nur um knapp 5% gesunken, jedoch betrifft dieser Rückgang vor allem Kleinkinder. Im Vergleich zu 2020, wo 95% der 2-jährigen zumindest die erste und 88% die zweite Teilimpfung erhielten, konnten im Folgejahr für dieselbe Altersgruppe nur Durchimpfungsraten von 84% für die erste bzw. 74% für die zweite Teilimpfung erreicht werden. Etwas höher liegen die Impfraten in 2021 bei den etwas älteren Kindern (2 bis 5-jährige) mit 95% für die erste und 88% für die zweite Teilimpfung. Auch bei den 6 bis 9-jährigen wird das 95%-Ziel nur für die erste Teilimpfung erreicht. Hingegen blieb der Herdenschutz für beide Teilimpfungen bei den 10 bis 18-jährigen weiterhin erhalten.
In der Altersgruppe junger Erwachsene ist wiederum kein ausreichender Impfschutz mit beiden Teilimpfungen gegeben.

Impfpass mit Masern, Mumps und Röteln Astrid860 / iStock

Während der Pandemie dürfte sich zudem das Impfverhalten verändert haben. Die Maßnahmen, das Covid-19-Virus einzudämmen, haben zu einem Rückgang von Routineimpfungen (insbesondere bei Kindern) geführt und Impflücken weiter vergrößert. So führten beispielweise Versorgungslücken dazu, dass zusätzlich knapp 9 Millionen Kinder nicht im empfohlenen Zeitraum gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Masern geimpft werden konnten.

Zeitgleich führt die steigende Skepsis gegenüber Impfungen zu einem Rückgang von routinemäßigen Immunisierungen. Das Präventionsparadoxon bezeichnet ein Dilemma, welches in diesem Fall auf die Erfolgsgeschichte des Impfens selbst zurückzuführen ist: durch hohe Durchimpfungsraten werden bestimmte Krankheiten immer seltener und Menschen treffen daher die Annahme, dass Impfungen nicht mehr notwendig seien. Das klinische Bild einer Krankheit verschwindet aus dem Bewusstsein und gleichzeitig werden eher die Nebenwirkungen und seltene reale sowie potenzielle Folgeschäden der Impfung als schwerwiegender angesehen als die Infektionskrankheit selbst.
Darüber hinaus schützt eine durch konsequente Impfungen entstandene Herdenimmunität auch die Nicht-Geimpften, was oft jedoch als Gegenargument für die Impfung angesehen wird.

Alle diese Faktoren können zu einem Misstrauen Impfungen gegenüber führen, welches sich in geringerer Impfbereitschaft, niedrigeren Durchimpfungsraten und teilweiser oder vollständiger Ablehnung der Impfung äußert. Dies kann in neuen Ausbrüchen von Infektionskrankheiten resultieren, welche aber wiederum die Impfbereitschaft fördern könnten.

Fazit

Österreich hat sich gegenüber der WHO verpflichtet, ihr Ziel, die Masern auszurotten, zu verfolgen. Die aktuelle nicht ausreichende Durchimpfungsrate reicht nicht aus, um eine Herdenimmunität zu erreichen, welche alle Personen ausreichend vor einer Ansteckung schützen könnte. Stattdessen gehen die Immunisierungsraten weiterhin zurück. In der Steiermark und anderen Bundesländern wird nun dringend empfohlen, die Masernschutzimpfung nachzuholen bzw. den Impfschutz zu vervollständigen, um dort die derzeitige Masernwelle einzudämmen. Diese stellt eine wichtige Maßnahme zur Prävention vor einer Infektion und ihren Komplikationen dar.

Redaktionelle Grundsätze

Alle für den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprüften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter Universitäten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Olivia Malvani, BSc

Olivia Malvani, BSc
Autor

Als Studentin der Ernährungswissenschaften verfasst sie Magazinartikel zu aktuellen medizinisch-pharmazeutischen Themen und verbindet diese mit ihrem persönlichen Interesse für präventive Ernährung und Gesundheitsförderung.

Letztes Update

28.02.2023

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