Bei der Migräne handelt es sich um anfallsartige, in Episoden ablaufende chronische Kopfschmerzen, die sehr stark sein können und oft auch von Begleiterscheinungen geprägt sein können. Beschrieben werden diese als pulsierend, pochend oder hämmernd und befinden sich meistens auf einer Seite des Kopfes. Aktivität verschlechtert das Leiden. Zu den Begleiterscheinungen zählen Übelkeit, Erbrechen, Geruchsempfindlichkeit, Lichtscheue,Geräuschempfindlichkeit, Augentränen oder Schwindel. Zusätzlich kann es auch zu einer Aura kommen. Diese geht meist den Schmerzen voraus und kann sich in Form von Sehen von Lichtblitzen (Flimmerskotom), Sprach- oder Gefühlsstörungen äußern.
Der genaue pathologische Mechanismus ist immer noch nicht geklärt. Es existieren bisher nur Hypothesen, welche noch nicht vollständig überprüft werden konnten. Vermutet wird, dass es sich bei der Migräne um eine Erweiterung der Blutgefäße im Gehirn handelt. Diese Ausdehnung (Vasodilatation) wird durch den trigeminovaskulären Reflex verursacht, so die Theorie. Durch Schmerzrezeptoren in den Blutgefäßen kommt es zu einer Reizung des Nervus trigeminus, danach zu einer Ausbreitung der elektrischen Impulse über die Großhirnrinde und somit zum Schmerzempfinden.
Ein deutsches Forscherteam hat vor kurzem einen Zusammenhang zwischen dem Trapezius-Muskel, dem großen Nackenmuskel und Migräne entdeckt. Sie konnten feststellen, dass es bei Menschen mit Kopfschmerzen zu einer Erhöhung der Entzündungsparameter kommt. Diese kleinen Entzündungen wurden mittels MRT sichtbar gemacht. Entscheidend für die Diagnostik ist hierbei ein hyperintenses Signal in der T2-Wichtung. Die T2-Wichtung ist eine Kontrastdarstellung des MRT-Bildes, wo dieses durch die T2-Relaxationszeit differenziert wird. Gibt es Entzündungen, ist eben dieses Signal erkennbar. T2 war bei Menschen mit Kopfschmerzen gegenüber der Kontrollgruppe signifikant erhöht. Ein noch höheres Signal gab es allerdings bei ProbandInnen mit Migräne. Ebenso fand die Forschungsgruppe heraus, dass T2 mit der Anzahl der Kopfschmerztage korreliert. Je größer die Anzahl, desto größer das Signal. Die neue Erkenntnis könnte einen Ansatz für neue Therapiemöglichkeiten in der Migränebehandlung bieten, bei denen man auf Medikamente verzichten könnte. Durch eine nichtmedikamentöse Therapie hätte man auch keine Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mehr zu befürchten.
Bei der Behandlung der Migräne muss man zwei unterschiedliche Methoden betrachten. Die erste ist die Akuttherapie, bei der Migräneattacken therapiert werden. Die zweite ist die Prophylaxe, bei der man medikamentös versucht, die Anzahl der Kopfschmerztage zu reduzieren.
Bei der Akuttherapie der Migräne kommen gleich mehrere Wirkstoffklassen zum Einsatz. Am wirksamsten ist die Wirkstoffklasse der Triptane. Die Triptane wirken, indem sie an die 1B und 1D Subtypen der Serotonin-Rezeptoren binden. Sie bewirken eine Gefäßverengung (Vasokonstriktion), welche somit die Schmerzen unterdrücken soll. Eine weitere Gruppe sind die Gepante. Sie wirken durch eine antagonistische Wirkung am CGRP-Rezeptor (Calcitonin Gene-Related Peptide). Die Aktivierung (Induktion) dieses Rezeptors verursacht ebenso eine Gefäßerweiterung (Vasodilatation). Einige weitere Wirkstoffklassen werden ebenfalls zur akuten Behandlung der Migräne verwendet, sind aber nicht so wirksam, wie die hier beschriebenen. Dazu gehören die Mutterkornalkaloide und Nicht-Opioid-Analgetika. Die Mutterkornalkaloide werden nur selten verschrieben, da das Nebenwirkungsprofil meist sehr groß ist und die Wirkung nicht so stark ist wie die der Triptane. Bei den Nicht-Opioid-Analgetika handelt es sich um die allseits bekannten Schmerzmittel wie Ibuprofen, Acetylsalicylsäure (Aspirin), Diclofenac und viele mehr. Bei dieser Gruppe besteht das Problem, dass sich nicht gut genug wirken, um eine mittelschwere bis starke Migräneattacke adäquat therapieren zu können.
Übersteigt die Zahl der Migräneattacken 15 Kopfschmerztage im Monat, kann an eine Prophylaxe gedacht werden. Es wird versucht, mittels Medikamenten die Anfallsanzahl zu reduzieren. Die meisten Prophylaxemittel sind primär nicht für einen Einsatz bei der Migränebehandlung entwickelt worden, sondern stellten sich erst später als wirksam heraus. Zum Einsatz kommen hier etwa Betablocker, wie Metoprolol, Propranolol oder Bisoprolol. Diese sind eigentlich als Medikamente zur Therapie von Bluthochdruck gedacht. Sie werden grundsätzlich in Form von Tabletten eingenommen und sind die Wirkstoffklasse der Wahl bei der prophylaktischen Migränebehandlung. Am wirksamsten sind Metoprolol und Propranolol. Flunarizin ist zwar auch ein Medikament zur Behandlung von Bluthochdruck, gehört allerdings zu einer anderen Wirkstoffklasse und kann als einziger Vertreter dieser Klasse zur Migränevorbeugung eingesetzt werden. Antiepileptika, wie Topiramat oder Valproinsäure können nicht nur die Häufigkeit von epileptischen Anfällen reduzieren, sondern auch die der Migräneattacken. Zu beachten ist allerdings, dass diese beiden Vertreter erst dann eingesetzt werden, wenn keine Betablocker als Therapie infrage kommen, da die Antiepileptika ein größeres Nebenwirkungsprofil besitzen. Pizotifen und Methysergid wirken über eine Hemmung von Serotonin-Rezeptoren, werden aber aufgrund zahlreicher schwerer Nebenwirkungen kaum mehr eingesetzt. Die CGRP-Inhibitoren, wie Erenumab, Fremanezumab oder Glacanezumab sind monoklonale Antikörper, welche aus Tieren, meist Mäusen, entnommen, aufbereitet und dann verabreicht werden können. Diese zählen eigentlich zu den Mitteln der Krebstherapie, haben sich aber ebenfalls bei der Migränetherapie als wirksam erwiesen. Nachteil bei diesen Präparaten ist allerdings, dass sie entweder ins Unterhautfettgewebe oder in die Vene appliziert werden müssen und deshalb auch von geschultem Personal verabreicht werden müssen.
Im Dezember 2022 wurden neue Wirkstoffe zur Migränebehandlung zugelassen. Die wichtigste Entdeckung ist die von Lasmiditan. Mit diesem neuen Wirkstoff wurde zugleich eine neue Wirkstoffklasse entwickelt, die Ditane. Lasmiditan ist ein neuartiger Wirkstoff zur Akutbehandlung der Migräne. Anders als die Triptane wirkt er am 1F-Subrezeptortyp, mit dem Vorteil, dass er so keine Nebenwirkungen am Herzen hervorrufen kann. Die Wirkung von Lasmiditan ist nicht vollständig geklärt, es wird aber davon ausgegangen, dass es die Freisetzung von Neuropeptiden hemmt, die für die Schmerzweiterleitung verantwortlich sind. Ditane sind allerdings nicht das Mittel der Wahl. Sie sollten nur zum Einsatz kommen, wenn die Gruppe der Triptane nicht wirksam ist, oder aber eine Kontraindikation für die Triptaneinnahme besteht. Die Wirksamkeit von Lasmiditan wurde in Studien bestätigt, Vergleichsstudien zu den Triptanen sind jedoch noch ausständig.
Mit der Zunahme der MigränepatientInnen steigt natürlich der Bedarf an wirksamen Behandlungsmöglichkeiten. Gerade bei der Migräne wirkt nicht jedes Präparat bei jeder/jedem gleich und somit müssen neue Therapiemöglichkeiten gefunden werden. Die in diesem Artikel beschriebenen neuen Erkenntnisse können zur besseren Versorgung von Migränepatientinnen beitragen und machen neue Hoffnungen für die Personen, bei denen bisherige Therapien versagen.
Thomas Hofko
Autor
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Zuletzt aktualisiert am 27.06.2024
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