Basedow-Krankheit (Morbus Basedow)

Basedow-Krankheit (Morbus Basedow)
Internationale Klassifikation (ICD) E05.-
Symptome Angst/Nervosität, Gereiztheit, Schlaflosigkeit, Herzrhythmusstörungen, Gewichtsabnahme, Schweißausbrüche, gesteigerte Stuhlfrequenz, Muskelschwäche, warme und feuchte Haut, weiches und dünnes Haar, Zyklusstörungen, Exophthalmus (Hervortreten der Augäpfel), endokrine Orbitopathie, Herzrasen, Vergrößerung der Schilddrüse (Kropf bzw. Struma), prätibiales Myxödem, Akropachie, Augenschmerzen, Lichtempfindlichkeit, Verschlechterung des Sehvermögens
Mögliche Ursachen genetische Veranlagung
Mögliche Risikofaktoren exogene Faktoren (z.B. Überschuss an Jod durch Nahrungsergänzungsmittel), Rauchen, vorausgegangene Virusinfektionen, psychischer Stress
Wirkstoffe Thiamazol , Propylthiouracil , Levothyroxin

Grundlagen

Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse und stellt die häufigste Ursache einer Schilddrüsenüberfunktion dar. Das Immunsystem nimmt die Schilddrüse irrtümlicherweise als fremd wahr und produziert TSH-Rezeptor-Antikörper (kurz: TRAK). Die Antikörper binden an den TSH-Rezeptor auf den Schilddrüsenzellen und stimulieren diese, sodass sie vermehrt Schilddrüsenhormone produzieren. Die Folge sind eine chronische Überfunktion der Schilddrüse und für die Basedow-Krankheit typische Symptome wie eine Vergrößerung der Schilddrüse - Kropf oder Struma - sowie hervortretende Augäpfel (Exophthalmus) aufgrund einer Augenhöhlenbeteiligung (endokrine Orbitopathie).

Allgemeines und Inzidenz

Benannt wurde der Morbus Basedow nach dem deutschen Arzt Carl von Basedow, der 1840 in Merseburg als erster im deutschsprachigen Raum Patienten mit der Krankheit beschrieb und die Symptomkonstellation „Merseburger Trias“ aus Kropf, Exophthalmus (hervorstehende Augen) und Tachykardie (schneller Herzschlag) beschrieb.
Morbus Basedow ist in allen Altersgruppen und Geschlechtern vertreten, wobei sich zwei Drittel der Fälle nach dem 35. Lebensjahr manifestieren und Frauen deutlich häufiger betroffen sind als Männer (w : m = 5 : 1).

Abgrenzung

Die Schilddrüsenerkrankung Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung und muss von anderen Ursachen einer Schilddrüsenüberfunktion, wie beispielsweise einer Hyperthyreose bei thyroidaler Autonomie, abgegrenzt werden. Eine Überfunktion der Schilddrüse kann auch bei der Behandlung anderer Schilddrüsenerkrankungen durch eine zu hohe Einnahme an Schilddrüsenhormonen bedingt sein.

Ursachen

Die zugrundeliegenden Ursachen des Morbus Basedows sind bislang nicht genau geklärt worden. Es wird davon ausgegangen, dass es sich um ein Zusammenspiel von genetischer Prädisposition, einem vermehrten Vorkommen der Antigene HLA-B8 und HLA-DR3 und exogenen Faktoren wie Rauchen, große Mengen an Jod, vorausgegangene Virusinfektionen oder schwere psychischen Belastungen, handelt.

Grafik der Schilddrüse und den Hormonen T3 und T4 Dr_Microbe / iStock

Bei einer sogenannten Euthyreose (auf griech. „gute Schilddrüsenfunktion“) schüttet die Schilddrüse die freien Schilddrüsenhormone Thyroxin (fT4) und Triiodthyronin (fT3) aus, welche den Stoffwechsel und die Funktion vieler Organe beeinflussen. Der Spiegel von fT4 und fT3 im Blut wird durch das in der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) gebildete TSH (Thyroidea-stimulierendes Hormon, Thyreotropin) reguliert. Bei einem hohen Schilddrüsenhormonspiegel schüttet die Hirnanhangsdrüse weniger TSH aus, bei einem niedrigen Schilddrüsenhormonspiegel wird mehr TSH ausgeschüttet.  Das TSH ist der bestimmende Parameter bei der Bestimmung der Schilddrüsenfunktion. Ein steigender TSH-Wert deutet auf eine Schilddrüsenunterfunktion; ein sinkender TSH-Wert gibt Anzeichen auf eine Schilddrüsenüberfunktion. Bei einem Morbus Basedow kommt es durch die Antikörper (TRAK) zu einer vermehrten Ausschüttung der Schilddrüsenhormone, da die TRAK sich an die TSH-Rezeptoren binden und dadurch die Schilddrüse stimulieren.

Symptome

Im Vordergrund stehen die Symptome der Schilddrüsenüberfunktion:

  • Vergrößerung der Schilddrüse (Kropf bzw. Struma) bei 70-90% der Patienten
  • Nervosität
  • Gereiztheit
  • Schlaflosigkeit
  • Herzrasen (Sinustachykardie)
  • Herzrhythmusstörungen
  • Gewichtsverlust (trotz Heißhunger)
  • Schweißausbrüche
  • Gesteigerte Stuhlfrequenz
  • Muskelschwäche
  • Warme, feuchte Haut
  • Weiches, dünnes Haar
  • Zyklusstörungen und in weiterer Folge möglicherweise Unfruchtbarkeit

Zusätzlich treten bei Morbus Basedow typische Symptome auf, wie:

  • Entzündliche Erkrankungen der Augenhöhle (endokrine Orbitopathie/Ophthalmopathie) mit Vermehrung des Bindegewebes in ca. 60 % der Fälle
  • „Merseburger Trias“ in 50 % der Fälle, bestehend aus: Kropf (Struma), Hervortreten der Augäpfel (Exophthalmus) und schnellem Herzschlag (Tachykardie)
  • selten: Schwellungen oder Knötchen auf den Beinen, insbesondere Schienbeine (prätibiales Myxödem)

Häufige Augenbeschwerden:

  • Fremdkörper- oder Druckgefühl
  • Hervortretende Augäpfel (Exophthalmus)
  • Augenbrennen
  • Geschwollene oder entzündete Augenlider
  • Seltener Lidschlag
  • Vermehrter Tränenfluss
  • Lichtempfindlichkeit
  • Verschwommenes Sehen bis zu schwereren Beeinträchtigungen des Sehvermögens

Diagnose

  1. Anamnese
    Ärztliches Gespräch zur Krankheitsgeschichte und Befragung über Einnahme von jodhaltigen Medikamenten oder den Kontakt mit Röntgenkontrastmittel
  2. Körperliche Untersuchung
    Zur Feststellung der körperlichen Symptome des Morbus Basedow bzw. der Schilddrüsenüberfunktion
  3. Blutuntersuchungen
    - TSH: erniedrigt
    - fT3: fast immer erhöht
    - fT4: in 90% der Fälle erhöht
    - Nachweis von TRAK (TSH-Rezeptor-Antikörper) und TPO-AK (Thyreoperoxidase-Antikörper)
  4. Bildgebende Verfahren
    - Sonographie: vergrößertes Volumen und verstärkte Durchblutung der Schilddrüse
    - Szintigraphie: Nachweis einer gesteigerten Schilddrüsenfunktion durch erhöhte Anreicherung des Radionuklid

Therapie

Medikamentöse Therapie

Die Behandlung erfolgt in der Regel medikamentös mit schilddrüsenbremsenden Medikamenten (Thyreostatika). Thyreostatika hemmen die Hormonproduktion und -freisetzung in der Schilddrüse. Thiamazol bzw. Carbimazol (Vorstufe von Thiamazol) ist hierbei der Mittel der Wahl, alternativ kann auch Propylthiouracil eingesetzt werden.
Zur symptomatischen Behandlung der Tachykardie werden auch Beta-Blocker wie Propanolol gegeben. Propanolol hemmt zudem das Enzym Deiodinase und somit auch die Umwandlung des Schilddrüsenhormons T4 in das stoffwechselaktivere T3. Wie bei jeder Schilddrüsenüberfunktion sollte die Behandlung mit Thyreostatika bis zum Erreichen einer Euthyreose (ausgeglichene Schilddrüsenfunktion) erfolgen. Bei Morbus Basedow dauert die thyreostatische Therapie im Normalfall 1-1,5 Jahre, in Einzelfällen auch länger.

Etwa 6 Monate nach der Diagnose bzw. Therapiebeginn wird der TRAK-Spiegel im Blut kontrolliert. Dieser hat eine prognostische Bedeutung: bei Werten > 10 IU/l verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Krankheit zurückbildet. In diesem Fall wird die Schilddrüse mittels Radioiodtherapie ausgeschaltet oder operativ entfernt.

Nach dem Absetzen der Medikamente kommt es bei rund 50% der Fälle zu einem Rezidiv (Wiederauftreten der Krankheit), meistens jedoch normalisiert sich bei mehr als der Hälfte der Patienten die Schilddrüsenfunktion. Rauchen erhöht das Rezidivrisiko und verschlechtert eine Augenmitbeteiligung bei Morbus Basedow.

Bei Nichtbesserung oder Wiederauftreten der Schilddrüsenunterfunktion nach 1-1,5-jähriger Thyreostatika-Therapie ist eine dauerhafte Ausschaltung der Schilddrüse durch eine Radioiodtherapie oder operative Entfernung indiziert.

Radiojodtherapie

Bei der Radiojodtherapie wird radioaktives Jod oral eingenommen, welches sich in der Schilddrüse anreichert und die hormonproduzierenden Zellen zerstört. Die Schilddrüse sollte im Vorhinein mit Thyreostatika behandelt werden, welche 2-3 Tage vor der Radiojodtherapie abgesetzt werden. Zudem sollte eine jodarme Diät durchgeführt und jodhaltige Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel vermieden werden. Da die Wirkung Radioiodtherapie erst nach einigen Wochen eintritt, ist auch eine Nachbehandlung mit Thyreostatika notwendig sein. Eine Schilddrüsenunterfunktion kann eine vorhandene endokrine Orbitopathie (entzündliche Erkrankung der Augenhöhlen) verschlechtern und sollte verhindert werden. Daher kann zu Beginn des Wirkungseintritts der Radiojodtherapie die thyreostatische Medikation frühzeitig mit Levothyroxin (LT4) kombiniert werden. Kurzfristige und regelmäßige Kontrollen der Schilddrüsenparameter nach der Radiojodgabe sind daher essentiell. Sobald die Schilddrüsenfunktion endgültig ausgeschaltet wurde, ist eine lebenslange Substitution mit Schilddrüsenhormon (LT4) notwendig.

Operative Therapie

Alternativ zur Radioiodtherapie ist eine operative Entfernung der Schilddrüse möglich. Indiziert ist eine Operation bei Morbus Basedow vor allem bei unkontrolliertem Schilddrüsenwachstum, endokriner Orbitopathie, Verdacht auf eine bösartige Veränderung der Schilddrüse, schweren Nebenwirkungen und Unverträglichkeit von Threostatika oder bei einer Ablehnung der Radiojodtherapie durch den Patienten. Vor der Operation sollte immer eine normale Schilddrüsenfunktion durch eine thyreostatische Vorbehandlung erzielt werden. Bei Morbus Basedow wird in der Regel die gesamte Schilddrüse bis auf einen Rest von 2 ml entfernt (sog. Fast-totale Thyreoidektomie).
Während der Operation besteht das Risiko einer Verletzung des Stimmbandnervs, was zu einer Lähmung der Stimmbänder und in weiterer Folge zu einer vorübergehenden bis lebenslangen Heiserkeit führen kann. Eine Schilddrüsenoperation kann auch eine kurzzeitige Schädigung der Nebenschilddrüsen verursachen, welche für die Aufrechterhaltung des Blutcalciumspiegels verantwortlich sind. In diesem Fall muss einige Tage nach der Operation Calcium eingenommen werden, bei bleibender Schädigung der Nebenschilddrüsen sind die Patienten auf eine lebenslange Calciumeinnahme in Kombination mit Vitamin D angewiesen.
Auch nach der Entfernung der Schilddrüse müssen lebenslang Schilddrüsenhormontabletten (LT4) eingenommen werden und die Parameter der Schilddrüse in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden.

Behandlung der Augenbeschwerden

Zur Behandlung der typischen Augensymptomatik gibt es, je nach Ausprägung, folgende Möglichkeiten:

  • Tabletten oder Infusionen mit Glukokortikoiden
  • Selensubstitution bei mildem Verlauf
  • Augentropfen, Salben und Gele bei trockenen Augen
  • Bestrahlung der Augenhöhle (in schweren Fällen)
  • Operation (zur Vergrößerung der Augenhöhle, in schweren Fällen)
Nahaufnahme des Exophthalmus

ablokhin / iStock

Prognose

Eine regelmäßige Kontrolle der Schilddrüsenparameter bzw. Anpassung der Hormondosis im Rahmen einer Betreuung durch einen Schilddrüsenspezialisten ist in jedem Fall erforderlich. Die Prognose ist in vielen Fällen gut: nach 1-1,5 Jahren gleicht sich die Schilddrüsenüberfunktion bei mehr als der Hälfte der Patienten aus. Wird die Schilddrüsenfunktion trotz Medikation nicht normalisiert oder bei einem erneuten Auftreten der Überfunktion muss die Schilddrüse endgültig entfernt oder ausgeschaltet werden.

Eine Nicht-Behandlung von Morbus Basedow erhöht das Risiko für typische Spätfolgen einer Schilddrüsenüberfunktion, wie Herz-Kreislauf-Krankheiten oder durch Osteoporose bedingte Knochenbrüche. Selten kann es auch zu einer lebensgefährlichen thyreotoxischen Krise (Thyreotoxikose) kommen. Typische Symptome sind hohes Fieber, Erbrechen, Unruhe, Angstzustände und Bewusstseinsstörungen. Um in weiterer Folge Herzrhythmusstörungen, Koma und Kreislaufversagen zu vermeiden, müssen Betroffene sofort (ev. intensivmedizinisch) behandelt werden.

Vorbeugen

Aufgrund der unzureichend geklärten Ursachen zur Entstehung von Morbus Basedow kann die Erkrankung nicht direkt vorgebeugt werden. Es kann lediglich das Erkrankungsrisiko reduziert werden, indem beispielsweise auf Rauchen verzichtet oder Stress vermieden wird.

Redaktionelle Grundsätze

Alle für den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprüften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter Universitäten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Olivia Malvani, BSc

Olivia Malvani, BSc
Autor

Als Studentin der Ernährungswissenschaften verfasst sie Magazinartikel zu aktuellen medizinisch-pharmazeutischen Themen und verbindet diese mit ihrem persönlichen Interesse für präventive Ernährung und Gesundheitsförderung.

Dr. med. univ. Bernhard Peuker, MSc

Dr. med. univ. Bernhard Peuker, MSc
Lektor

Bernhard Peuker ist Lektor sowie Medical Advisor bei Medikamio und arbeitet als Arzt in Wien. Bei der Arbeit lässt er sein klinisches Wissen, praktischen Erfahrungen und wissenschaftliche Leidenschaft einfließen.

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