Disulfiram

Disulfiram

Grundlagen

Disulfiram ist ein Wirkstoff zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit. Es ist ein Carbamat-Derivat, also ein Abkömmling der Carbamate. Disulfiram hemmt den vollständigen Abbau von Alkohol. Es ist ein weißes kristallines (kristallbildendes) Pulver, welches nicht in Wasser löslich ist. Disulfiram sollte nicht alleine, sondern im Rahmen einer ganzheitlichen Entwöhnungstherapie von Alkoholkranken als Begleittherapie eingesetzt werden. 

Grafik Strukturformel des Wirkstoffs Disulfiram

Medikamente mit Disulfiram

Medikament Wirkstoff(e) Zulassungsinhaber
Antabus® Disulfiram Teva Pharma AG

Wirkung

Disulfiram wird als Begleittherapie zur Entwöhnung von alkoholkranken Menschen eingesetzt. Es wird im Körper zu Diethylthiocarbonat umgewandelt, welches in der Leber das Enzym Aldehyd-Dehydrogenase gezielt (selektiv) und nicht umkehrbar (irreversibel) blockiert. Alkohol wird im Körper zuerst durch das Enzym Alkohol-Dehydrogenase zu Acetaldehyd, einen für den Körper giftigen (toxischen) Stoff umgebaut, und danach durch die Aldehyd-Dehydrogenase zur für den Körper ungefährlichen Essigsäure umgewandelt. Durch die Hemmung der Aldehyd-Dehydrogenase durch Disulfiram, kommt es nicht zur Umwandlung in die ungefährliche Essigsäure, sondern der giftige (toxische) Acetaldehyd häuft sich (akkumuliert) im Körper. Jedes Mal, wenn die alkoholkranke Person Alkohol zu sich nimmt, kommt es zu einer Reihe von Unverträglichkeitsreaktionen, durch den Anstieg der Konzentration des giftigen Acetaldehyds. 

Folgende Reaktionen werden wahrgenommen:

Durch diese zahlreichen unangenehmen Reaktionen soll eine Abneigung gegenüber Alkohol bei den Betroffenen ausgelöst werden (Aversionstherapie). Die Wirkung dieser Unverträglichkeitsreaktionen hält solange an, bis der Alkohol vollständig abgebaut wird. 

Zusätzlich hemmt Disulfiram auch das Enzym Dopamin-β-Hydroxylase. Dieses Enzym ist für die Umwandlung von Dopamin in Noradrenalin verantwortlich. Durch die Hemmung wird die Rückfallwahrscheinlichkeit gesenkt. 

Dosierung

Nehmen Sie Disulfiram immer genau wie in der Packungsbeilage beschrieben bzw. genau nach Absprache mit Ihrem Arzt ein.

Die empfohlene Einnahme ist 800 mg/Tag zu Beginn der Behandlung für 2-3 Tage. 

Nach 2-3 Tagen wird eine tägliche Dosis von 100-200 mg/Tag empfohlen. Die Dauer der Einnahme sollte mindestens 6 Monate betragen, kann aber unter Umständen auch einige Jahre dauern. Es wird empfohlen, Disulfiram in Gegenwart einer vertrauten Person einzunehmen. Disulfiram sollte am Abend eingenommen werden, da es zu starker Müdigkeit kommen kann. Regelmäßige Blutabnahmen zur Kontrolle der Leberfunktion sind ebenfalls empfohlen.

Nebenwirkungen

Es kann zu folgenden Nebenwirkungen kommen:

Sehr häufig:

  • Verwirrung, 
  • Merk- und Konzentrationsstörungen, 
  • Unruhe
  • Manie
  • Depression
  • Kopfschmerzen
  • Schläfrigkeit
  • Müdigkeit 
  • Mattigkeit

Häufig:

  • Übelkeit und Erbrechen
  • Durchfall
  • veränderte Geschmacksempfindung
  • Mundgeruch
  • Anstieg der Leberwerte

Gelegentlich:

  • Überempfindlichkeit
  • Schwellungen der Haut und Schleimhaut
  • Juckreiz
  • Hautausschlag

Selten:

  • Wahrnehmungsstörungen
  • Gefühlsstörungen
  • Erregung
  • Selbstüberschätzung
  • Wahnvorstellungen und Halluzinationen
  • Nervenfunktionsstörungen 
  • Zittern
  • Farbsehstörungen
  • Muskel- und Gelenkschmerzen

Sehr selten:

  • Impotenz
  • Veränderung des sexuellen Verlangens
  • Bluthochdruck
  • Entzündung des Sehnervs
  • Krampfanfälle
  • Gangunsicherheit und Bewegungsstörungen
  • Störungen der Feinmotorik
  • Sprachprobleme
  • Leberkoma
  • akutes Leberversagen
  • massive Leberentzündung (Hepatitis)
  • Leberzellschäden, die in einzelnen Fällen tödlich verlaufen können
  • Fieber
  • Blasenbildung
  • Anstieg der Ketokörper (Acetonämie)
  • Anstieg des Cholesterins

Häufigkeit unbekannt:

  • Schmerzen im Oberbauch

Wechselwirkungen

Während der Disulfiramtherapie sollte die Einnahme von Alkohol unbedingt vermieden werden, da es sonst zu tödlichen (letalen) Komplikationen wie z.B. zu einem Herzinfarkt (Myokardinfarkt) oder Angina pectoris kommen kann. Unverträglichkeitsreaktionen treten bereits ab einer Menge von 3 g reinem Alkohol (Ethanol) auf, das entspricht ca. 75 ml Bier oder 32 ml Wein. Zu beachten ist, dass auch in einigen Arznei- oder Lebensmitteln Alkohol enthalten ist (Hustensäfte, Tinkturen, Pralinen mit Alkoholgehalt, etc.). Eine Bereitschaft zum Verzicht auf Alkohol sollte bei Betroffenen auf jeden Fall vorliegen. 

Bei gleichzeitiger Einnahme von folgenden Arzneimitteln können Wechselwirkungen auftreten:

Disulfiram kann die Wirkung von folgenden Arzneimitteln verstärken:

  • Benzodiazepine (Schlaf- und Beruhigungsmittel, angstlösende Medikamente)
  • Phenytoin (Medikamente gegen Epilepsie)
  • Clomipramin (stimmungsaufhellende Medikamente)
  • Pimozid (Medikament bei seelischen Erkrankungen)
  • Rifampicin und Isoniazid (Tuberkulosemedikamente)
  • Medikamente zur Hemmung der Blutgerinnung (“Blutverdünner”)
  • Metronidazol (Medikament bei Infektionen)
  • Theophyllin (Medikament bei Atemwegserkrankungen)

Folgende Medikamente verstärken die Unverträglichkeitsreaktionen:

  • Cyanamid
  • Metronidazol
  • trizyklische Antidepressiva
  • MAO-Hemmer
  • Chlorpromazin
  • Phenothiazinverbindungen
  • blutdrucksenkende Medikamente (Vasodilatantien, Alpha- und Beta-Rezeptorblocker)

Medikamente zur Behandlung von Allergien (Antihistaminika) und Diazepam können die Unverträglichkeitsreaktionen abschwächen.

Disulfiram sollte nicht mit aldehydhältigen Medikamenten eingenommen werden. 

Arzneimittel zur Neutralisierung von Magensäure (Antazida) können die Disulfiramaufnahme abschwächen.

Gegenanzeigen

Disulfiram darf in folgenden Fällen nicht eingenommen werden:

  • bei einer Allergie gegen Disulfiram
  • bei einer Allergie gegen Nickel, da hier ein erhöhtes Risiko für das Entstehen von Leberentzündungen (Hepatitis) vorliegt. 
  • bei erniedrigtem Serum-Albumin und einem Serum Bilirubin-Wert von >25 mmol/L
  • bei Angina pectoris
  • bei Herzmuskelerkrankungen
  • bei Herzrhythmusstörungen
  • bei schweren Kreislaufstörungen mit besonders niedrigem Blutdruck (Hypotonie)
  • bei Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
  • bei schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen
  • bei Schilddrüsenerkrankungen
  • bei Lungen- und Atemwegserkrankungen
  • bei Epilepsie
  • bei Psychosen
  • bei schwerer Persönlichkeitsstörung
  • bei Alkoholkonsum (während und bis zu 14 Tage nach Ende der Therapie)
  • bei akuter Alkoholvergiftung oder bei Restalkohol im Blut

Altersbeschränkung

Disulfiram ist für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht freigegeben. 

Bei Patienten über 65 Jahren sollte eine möglichst geringe Dosierung verabreicht werden.

Schwangerschaft & Stillzeit

In der Schwangerschaft ist Disulfiram nicht zugelassen.

In der Stillzeit ist Disulfiram nicht zugelassen, weil es in die Muttermilch übergeht.

Geschichte zum Wirkstoff

Disulfiram wurde schon im 19. Jahrhundert verwendet, und zwar zur Vulkanisation von Kautschuk bei der Herstellung von Gummi. Zufälligerweise entdeckte man 1937, dass es bei Fabrikarbeitern zu Unverträglichkeit gegenüber alkoholischen Getränken kam. In der Schweiz wurde Disulfiram erstmals 1949 zugelassen. In Deutschland ist Disulfiram seit 2013 nicht mehr zugelassen.

Chemische & physikalische Eigenschaften

ATC Code N07BB01, P03AA04
Summenformel C10H20N2S4
Molare Masse (g·mol−1) 296,539
Aggregatzustand fest
Dichte (g·cm−3) 1,3
Schmelzpunkt (°C) 69-72
Siedepunkt (°C) 117
CAS-Nummer 97-77-8
PUB-Nummer 3117
Drugbank ID DB00822

Redaktionelle Grundsätze

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Thomas Hofko

Thomas Hofko
Autor

Thomas Hofko befindet sich im letzten Drittel seines Bachelorstudiums der Pharmazie und ist Autor und Lektor für pharmazeutische Themen. Er interessiert sich besonders für die Bereiche Klinische Pharmazie und Phytopharmazie.

Mag. pharm. Stefanie Lehenauer

Mag. pharm. Stefanie Lehenauer
Lektor

Stefanie Lehenauer ist seit 2020 freie Autorin bei Medikamio und studierte Pharmazie an der Universität Wien. Sie arbeitet als Apothekerin in Wien und ihre Leidenschaft sind pflanzliche Arzneimittel und deren Wirkung.

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