Epilepsie

Zuckungen in Armen und Beinen
unwillkürliche Lautäußerungen
Beißen der eigenen Zunge
Harn- oder Stuhlgang
Bewusstlosigkeit
unwillkürlichen Augen-, Kopf- und Mundbewegungen
Automatismen
Erkrankung des Zentralen Nervensystems
genetische Änderungen an Ionenkanälen und Transmitterrezeptoren
Gehirntumore
Gehirn- und Gehirnhautentzündungen
Alkoholmissbrauch, Drogen- und Medikamentenmissbrauch
Stoffwechselerkrankungen und/oder genetische Störungen
Vergiftungen
Schlafentzug
Flackerlicht im Fernsehen oder in einer Disco
Hyperventilation
Entzug von Alkohol und Medikamenten
Verschiebung im Mineralienhaushalt des Körpers
Fehlbildungen des Gehirns
Schädel-Hirn-Trauma
Infarkt bzw. Blutung
Geburtskomplikationen
Antikonvulsiva
operativer Eingriff

Grundlagen

Das Wort Epilepsie leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet so viel wie „packen”, „Angriff” oder „Überfall”. Die Wortherkunft erklärt sich dadurch, dass Epilepsie und epileptische Anfälle früher als „von außen” (Götter, Dämonen) verursacht, verstanden wurden. Epilepsie kann auch mit dem Begriff „Fallsucht“ übersetzt werden und wird in der Umgangssprache oft als zerebrales Krampfleiden bezeichnet. Bei der Erkrankung handelt es sich um eine Fehlfunktion des Gehirns, bei der plötzlich synchronisierte Impulse abgefeuert werden und sich entladen. Dieser Vorgang wird durch Nervenzellen ausgelöst. Manchmal zucken bei einem epileptischen Anfall nur wenige Muskeln, aber es kann auch der gesamte Körper krampfen. Zudem können Betroffene im Zuge eines Anfalls ihr Bewusstsein verlieren.

Ärzte sprechen von einer Epilepsie, wenn:

  1. Innerhalb von 24 Stunden mindestens zwei unprovozierte Anfälle aufgetreten sind.

  2. Wenn nach einem unprovozierten Anfall das Risiko für einen weiteren Anfall innerhalb der nächsten 10 Jahre bei über 60 % liegt. 

  3. Ein Epilepsiesyndrom diagnostiziert wurde (z. B. Lennox-Gastaut-Syndrom).

Die 1-Jahres-Prävalenz für Epilepsie beträgt in Mitteleuropa etwa 7,1 pro 1000 Einwohner. Männer und Frauen sind dabei von der Erkrankung und epileptischen Anfällen etwa gleich häufig betroffen. Die Wahrscheinlichkeit an Epilepsie zu erkranken, steigt besonders in den ersten Lebensjahren, und dann erst wieder ab dem 65. Lebensjahr an. Allgemein gilt jedoch, dass Menschen jeden Alters an Epilepsie erkranken können. Erleidet man einen einmaligen Anfall, hat das jedoch nicht unbedingt zur Folge, dass man sein ganzes Leben lang unter Anfällen leidet.

Dauert ein epileptischer Anfall länger als fünf Minuten, spricht man auch von einem sogenannten „Status epilepticus”. Der „Status epilepticus” ist ein medizinischer Notfall und sollte sofort ärztlich beziehungsweise mit Medikamenten behandelt werden. Auch wenn mehrere Anfälle innerhalb von kurzer Zeit hintereinander auftreten, stellt dies einen Notfall dar.

Menschliche Neurone (iStock / K_E_N)

Die Einteilung

Epileptische Anfälle werden in fokale (in einer Hirnhemisphäre beginnend) und generalisierte (in Neuronen beider Hirnhemisphären beginnend) Anfälle eingeteilt. Fokale Anfälle können weiters in bewusst und nicht bewusst erlebte Formen unterteilt werden. Beide dieser Formen können einen motorischen und einen nicht motorischen Beginn haben. Breitet sich ein fokaler Anfall auch auf die andere Hirnhemisphäre aus spricht man auch von einem „bilateral tonisch-klonischen Anfall”. Zwischen den einzelnen Anfällen haben Menschen mit Epilepsie jedoch meistens keine körperlichen Beschwerden.

Ursachen

Das menschliche Gehirn setzt sich aus Milliarden von Neuronen zusammen. Diese Neuronen kommunizieren mithilfe von chemischen und elektrischen Signalen miteinander. Einzelne Gehirnbereiche sind für die Motorik, andere wiederum für die Sprache oder das Sehen zuständig. Bei einem epileptischen Anfall funktioniert das Zusammenspiel dieser Neurone für eine kurze Zeit nicht beziehungsweise ist gestört. In Europa sind etwa 0,7 bis 0,8 Prozent der Gesamtbevölkerung von einer Epilepsie betroffen. In manchen Familien tritt Epilepsie gehäuft auf, weshalb auch eine genetische Komponente der Erkrankung naheliegt.

Auch gesunde Menschen können unter bestimmten Umständen von einem Krampfanfall betroffen sein. Zu diesen Umständen zählen etwa:

  • Schlafentzug

  • Flackerlicht im Fernsehen oder in einer Disco

  • Beschleunigtes Atmen (Hyperventilation)

  • Entzug von Alkohol und Medikamenten

  • Starke Verschiebung des Elektrolythaushalts des Körpers

Idiopathische Epilepsie:

Die Auslöser dieser Form der Epilepsie sind zum größten Teil noch unbekannt. Vermutungen legen nahe, dass genetische Veränderungen an Ionenkanälen und Transmitterrezeptoren bei der Entstehung von Epilepsien generell eine Rolle spielen.

Betroffene, die an einer idiopathischen Epilepsie leiden, haben definitionsgemäß keine weiteren neurologischen Erkrankungen (z. B. Schädel-Hirn-Trauma). Auch die bildgebenden Untersuchungsverfahren (Computertomografie, Kernspintomografie) zeigen keine krankhaften Veränderungen.

Symptomatische Epilepsie:

Diese Form der Epilepsie wird durch eine Erkrankung des Zentralen Nervensystems ausgelöst. Zu den Ursachen, die Auslöser infrage kommen, zählen etwa:

  • Gehirnfehlbildungen

  • Hirnschädigungen, ausgelöst durch Schwangerschafts- oder Geburtskomplikationen, hauptsächlich bei Frühgeborenen, durch Hirnblutungen, Mangelversorgung des Gehirns mit Sauerstoff (Geburtskomplikationen) oder durch eine Gehirnentzündung.

  • Hirnverletzungen (z. B. Schädel-Hirn-Trauma)

  • Schlaganfall (Infarkt oder Blutung)

  • Gehirntumore: Deshalb sollte vor allem bei jungen Menschen sofort die Ursache für erste Anfälle mittels CCT (Computertomografie des Gehirns) beziehungsweise MRT (Kernspintomografie) abgeklärt werden.

  • Gehirn- und Gehirnhautentzündungen

  • Alkoholmissbrauch, Drogen- und Medikamentenmissbrauch

  • Stoffwechselerkrankungen und/oder genetische Störungen

  • Vergiftungen

Symptome

Epileptische Anfälle können in zwei Hauptgruppen unterteilt werden:

  • Fokale Anfälle: Diese Art der Anfälle ereignen sich an einer umschriebenen Region des Gehirns und sind auf eine Körperregion begrenzt. Ein fokaler Anfall kann jedoch auch in einen generalisierten Anfall übergehen.

  • Generalisierter Anfall: Generalisierte Anfälle betreffen von Beginn an das gesamte Gehirn oder zumindest Anteile von beiden Gehirnhälften zum gleichen Zeitpunkt. Vom Anfall ist dann meist der gesamte Körper betroffen.

Fokaler Anfall:

Fokale Anfälle entstehen in einem bestimmten Gehirnbereich. Je nachdem, welcher Bereich der Hirnrinde betroffen ist, erleben Betroffene unterschiedliche Symptome. Beispielsweise kann es zu einem Zucken des Beins (motorischer Anfall) oder zu Gefühlsstörungen (sensorischer Anfall) kommen. Treten optische Symptome, wie beispielsweise Lichtblitze auf, liegt der Ursprung des Anfalls vermutlich nahe der Sehrinde. Bei einem fokalen Anfall befinden sich Betroffene oftmals in einem wachen, orientierten Zustand und sind bei klarem Bewusstsein. Manche Formen von fokalen Anfällen schränken jedoch die Aufmerksamkeit oder auch das Bewusstsein ein. Tritt zunächst nur ein fokaler Anfall auf, kann dieser sich auch auf das gesamte Gehirn ausbreiten und zu einer sekundären Generalisierung führen.

Generalisierter Anfall:

Generalisierte Anfälle betreffen immer beide Hirnhemisphären. Sie sind generell nicht schwerer als fokale Anfälle, aber führen häufiger zu Bewusstlosigkeit und Muskelzucken im ganzen Körper.

Generalisierte epileptische Anfälle zeigen sich folgendermaßen:

  • Tonisch: Die Extremitäten verkrampfen sich und werden steif. Der Anfall ist meist schnell vorüber. Eine Bewusstseinseintrübung besteht nicht immer.

  • Atonisch: In einem Teil des Körpers lässt die Muskelspannung plötzlich nach. Es können beispielsweise die Beine einknicken und man stürzt. Auch ein kurzer Bewusstseinsverlust ist möglich.

  • Klonisch: Muskelgruppen an den Armen oder an den Beinen zucken in einem langsamen Rhythmus. Meistens verlieren Betroffene dabei das Bewusstsein.

  • Myoklonisch: Einzelne Muskelgruppen zucken sehr schnell. Das Bewusstsein von Betroffenen ist dabei meist noch erhalten.

  • Tonisch-klonisch („Grand mal”): Der gesamte Körper verkrampft sich und zuckt. Zudem verlieren Betroffene oft das Bewusstsein.

Absencen: Diese Anfallsform äußert sich durch kurze Bewusstseinspausen. Sie gilt als „milde Form” eines epileptischen Anfalls.

Diagnose

Zunächst kommt es zu einer genauen Befragung des Patienten (Anamnese). Besonders wichtig ist dabei, herauszufinden, ob Epilepsiefälle in der Verwandtschaft bekannt sind. Danach wird meist eine neurologische Untersuchung durchgeführt.

Eine EEG-Untersuchung (iStock / luaeva)

Ein epileptischer Anfall wird immer anhand der Art des Anfallsbildes (Anfallsanamnese) beurteilt. Aus diesem Grund ist es gut, wenn eine andere Person den Anfall beobachtet hat und ihn beschreiben kann. Zusätzlich muss die Epilepsie von anderen Krankheiten, die eventuell ähnliche Symptome hervorrufen kann, wie etwa psychisch bedingten Anfällen, unterschieden werden. Außerdem sollten als eventuelle Ursache einer symptomatischen Epilepsie strukturelle Hirnveränderungen (z. B. Tumor) ausgeschlossen werden.

Folgende Untersuchungsmethoden stehen dabei zur Verfügung:

  • Elektroenzephalographie (EEG)

  • Computertomografie (CT)

  • Magnetresonanztomografie (MRT)

  • Blutuntersuchungen

In bestimmten Fällen werden darüber hinaus noch Untersuchungen des Nervenwassers (Liquordiagnostik) durchgeführt.

Therapie

Die Behandlung von Epilepsie erfolgt durch einen spezialisierten Neurologen.

Grundsätzlich besteht die Anfallsprophylaxe und Therapie von Epilepsien aus drei Säulen:

  1. Beseitigung der Ursache bei symptomatischen Epilepsien

  2. Medikamentöser Anfallsprophylaxe

  3. Vermeidung von Triggerfaktoren (z. B. Schlafentzug, Alkohol)

Medikamente gegen Epilepsie (Antikonvulsiva) erhöhten die krankhaft erniedrigte Krampfschwelle bei Epilepsiepatienten. Die Indikation für eine Therapie ist gegeben, wenn zwei oder mehr Krampfanfälle innerhalb von 6 Monaten auftreten oder nach einem Anfall, wenn zusätzlich für Epilepsie charakteristische Befunde im EEG oder MRT vorliegen (z. B. Spike-Wave-Muster). Bleibt eine Therapie aus, besteht die Gefahr, dass die Anfallshäufigkeit zunimmt.

Antikonvulsiva (iStock / Attila Barabas)

Für Anfälle mit fokalem Beginn sind die Wirkstoffe Lamotrigin und Levetiracetam Mittel der ersten Wahl. Mittel der zweiten Wahl sind beispielsweise die Medikamente Carbamazepin, Phenytoin oder Topiramat.

Bei Anfällen mit generalisiertem Beginn ist meist der Wirkstoff Valproinsäure Mittel der ersten Wahl. Mittel der zweiten Wahl sind hier Lamotrigin und Topiramat. Kommt es durch Valproinsäure alleine nicht zu einem ausreichenden Schutz gegenüber Anfällen, sollte eine Kombinationstherapie mit einem zusätzlichen anderen Antikonvulsivum begonnen werden.

Mithilfe einer korrekten medikamentösen Behandlung kann ein Großteil der Epilepsie-Patienten ein anfallfreies Leben führen. Die Therapie hat die Aufgabe, die Anfallsfreiheit ohne unerwünschte Nebenwirkungen oder mit erträglichen Nebenwirkungen zu gewährleisten. Die Dosierung des Medikaments muss dabei genau auf den Patienten eingestellt und angepasst werden.

Zu Beginn sollte die Therapie mit einem Antikonvulsivum als Monotherapie durchgeführt werden. Stellt sich dabei keine ausreichende anfallsprophlaktische Wirkung ein, sollte eine Monotherapie mit einem anderen Wirkstoff begonnen werden. Ein Therapieende sollte erst nach 2-5 Jahren anfallsfreier Zeit bei einem unauffälligen EEG erwogen werden.

Prinzip der medikamentösen Therapie:

Antikonvulsiva sind darauf ausgelegt, die Überregbarkeit von Nervenzellen über verschiedene Mechanismen zu verringern oder auch die Hemmmechanismen des Gehirns zu verstärken. Oft werden Medikamente verabreicht, die beispielsweise in den Gamma-Aminobuttersäure (GABA)-Stoffwechsel eingreifen (z. B. Valproat), da GABA den signifikantesten anfallshemmenden Überträgerstoff im Gehirn darstellt. Damit die Therapie Erfolge aufweist, ist es wichtig, dass die Einnahme regelmäßig erfolgt und ärztliche Kontrollen eingehalten werden.

Anfallskalender:

Um die Therapie genau auf den Patienten abzustimmen, muss die Anfallssituation beurteilt werden. Aus diesem Grund sollten Betroffene einen Anfallskalender führen. In diesem sollte die Häufigkeit und der Schweregrad der epileptischen Anfälle vermerkt werden. Damit kann sich der behandelnde Arzt regelmäßig ein Bild über die Hirnaktivität (EEG-Kontrolle) und Anfallshäufigkeit in Kombination mit dem Medikamentenspiegel im Blut machen.

Bei einigen Patienten genügt eine alleinige medikamentöse Behandlung nicht. In diesen Fällen kann auch ein chirurgischer Eingriff in Betracht gezogen werden. Die Epilepsie-Chirurgie weist meistens sehr gute Erfolge hinsichtlich der Anfallsfreiheit nach der Operation auf, vor allem bei Temporallappenepilepsie. Eine Operation kann jedoch nur erfolgen, wenn die Anfälle immer von der gleichen Region des Gehirns ausgehen. Der Ort im Gehirn muss ohne Gefahren und Nachteile für den Patienten entfernt werden können.

Eine weitere Möglichkeit der Epilepsiebehandlung stellt die Implantation eines elektrischen Geräts dar, das die Erregung eines bestimmten Nervs (Nervus Vagus) im Gehirn bewirkt. Infolge der Stimulation dieses Nervs kann die Anzahl der Anfälle gesenkt werden.

Prognose

Allgemein gilt, dass es bei ungefähr 50 % der Epilepsie-Betroffenen bei einem einmaligen Anfall bleibt, während die restlichen 50 % einen zweiten Anfall erleben. Folglich steigt das Risiko auch für einen erneuten Anfall an. Ungefähr 70% der Patienten, die schon mindestens zwei Anfälle hinter sich haben, erleben innerhalb eines Jahres einen weiteren Anfall. Menschen, bei denen der epileptische Anfall durch eine Grunderkrankung wie ein Schädel-Hirn-Trauma verursacht wurde, sind besonders gefährdet. Hier ist das Risiko für weitere Attacken doppelt so hoch wie bei Epilepsie-Patienten, bei denen die Ursache auf einer genetischen Veranlagung beruht beziehungsweise keine bekannte Ursache existiert.

Oft gelingt es durch die Auswahl des richtigen Medikaments eine gute Lebensqualität zu erhalten und Anfälle auch langfristig zu verhindern. 3 von 10 Betroffenen erleben jedoch weiterhin Anfälle, wodurch die Erkrankung Epilepsie einen deutlichen Leidensdruck hervorruft.

Tipps

Um selbst eine möglichst hohe Lebensqualität trotz Epilepsie zu erhalten, kann eine Schlafhygiene (ausreichend Schlaf mit geregelten Einschlafzeiten) hilfreich sein. Einige Formen von Epilepsie werden durch bestimmte Triggerfaktoren ausgelöst (z. B. flackerndes Licht, Alkohol, Schlafentzug, Betrachten eines Schachbrettmusters). Diese Trigger sollten, wenn möglich, gänzlich vermieden werden.

Dr. med. univ. Moritz Wieser

Dr. med. univ. Moritz Wieser

Autor

Thomas Hofko

Thomas Hofko

Lektor


Redaktionelle Grundsätze

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